Mit dem Heimgang von Johann Baptist Metz ins Ewige ist einer der letzten großen Theologen des konziliaren Aufbruchs von uns gegangen. Wehmütig denkt man an jene Zeit zurück, die den Jüngeren, die sich inzwischen gequält mit Aufbruchsrhetorik begnügen müssen, nichts mehr sagt.
Metz hatte wie viele progressive Theologen die wahren Zeichen der Zeit erkannt. In der Säkularisierung der Welt vermutete er eine Freisetzung aus verkrusteten kirchlichen Strukturen. Keinen Abfall also vom wahren Christentum, vielmehr eine Chance, als Christ und Weltbürger Welt und Glauben aufgeklärt, modern zu gestalten. Die lateinamerikanische Befreiungstheologie, die wesentlich von philosophisch und theologisch abendländisch gebildeten Persönlichkeiten inspiriert wurde, hatte Metz’ neuer politischer Theologie viel zu verdanken, was umgekehrt auf ihn zurückwirkte. Die globale Perspektive der unschuldig Leidenden, der Entrechteten, hat ihn zutiefst berührt, erschüttert, aufgewühlt. Mit prophetisch-adventlicher Wucht stürzte dies das Christsein in Unruhe. Die Gottesfrage offenbart sich da auf existentiell härteste Weise. Das Reich Gottes ist eben auch nicht indifferent gegenüber den Welthandelspreisen, wie die Würzburger Synode im vorwärtsweisenden Dokument „Unsere Hoffnung“ sagte, wesentlich von Metz verfasst. Eine Mystik der offenen Augen sollte wider ein pures Wellness- und Lebensberatungschristentum, wie es in verbürgerlichter Religiosität momentan gern soft inszeniert wird, die Not der Armen radikal zu Gehör bringen.
Der marxistische Philosoph Ernst Bloch sprach in seinem „Prinzip Hoffnung“ von einem Transzendieren ohne Transzendenz. Für Metz war Hoffnung ein Transzendieren mit Transzendenz: ein Überschreiten in die Dimension des Göttlichen hinein, das schon präsent ist. Metz glaubte an Gottes Wirken, an das Mysterium, das bei aller Verborgenheit sein sprechendes humanes Antlitz zeigt: im Gottessohn und Menschensohn Jesus Christus. Adventlich leben, voller Verheißung: Das meint nicht Vertröstung, sondern Trost in der expressivsten Form des Betens, im stummen, allerdeutlichsten Schreien nach Gott. Solche Erschütterungstheologie bewegt sich nicht in einem metaphysischen Kreisverkehr, sie ist ausgerichtet auf Auferstehung. Das Apokalyptische reißt als Unterbrechendes das Diesseits aus seinen behäbigen Ritualen heraus. Ach, würde doch der oft so routinierte, langweilig-geistlose Kirchenbetrieb sich von solcher Hoffnungs- und Geisteskraft wieder unterbrechen und aufstören lassen! Metz’ Erregungspotential (vgl. zu seinem neunzigsten Geburtstag CIG Nr. 31/2018) könnte dazu inspirieren. „Sonne der Gerechtigkeit … Weck die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit.“ Wann, wenn nicht jetzt?