Der Gedenktag des heiligen Stephanus, in der katholischen Kirche am 26. Dezember, in der Ostkirche am 27. Dezember gefeiert, ist älter als das Weihnachtsfest. Mit dem ersten Blutzeugen des Christentums wird eine Verbindung zum Urfest des Glaubens hergestellt: Ostern.
In der Weihnachtszeit erklingt das Lied „Nun freut euch, ihr Christen“ (Gesangbuch „Gotteslob“ Nr. 241) in lateinischer Sprache: „Adeste fideles“. Die Aufforderung des Liedes zur Anbetung – „Kommt, lasset uns anbeten“ beziehungsweise „Venite adoremus“ – wird im liturgischen Jahr noch einmal am Karfreitag gesungen. Zur Verehrung wird ein Kreuz gezeigt mit dem Gesang „Seht, das Holz des Kreuzes, an dem das Heil der Welt gehangen“. Die Gemeinde antwortet: „Kommt, lasset uns anbeten“ („Gotteslob“ Nr. 308,2). Die gleiche Antwort verbindet das Geschehen in der Krippe mit dem am Kreuz: Menschwerdung, Sterben und Auferstehung des Gottes- und Menschensohns Jesus Christus.
Als Jesus am Kreuz stirbt, betet er mit den Worten des 31. Psalms: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ Stephanus greift bei seinem Sterben dieses Gebet auf und verändert es: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!“ Er betet so, weil er, vom Heiligen Geist erfüllt, den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen sieht (Apg 7,55–59). „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf“, dieses älteste Sterbegebet eines Jüngers Jesu ist als Kurzgebet in die kirchliche Überlieferung eingegangen. Es wird dem sterbenden Menschen vorgesprochen oder von diesem selbst gebetet.
Dargestellt wird der heilige Stephanus im liturgischen Gewand des Diakons, der kurzarmigen Dalmatik. Stephanus war ein Diener der Kirche. Der Kirchenlehrer Augustinus geht in einer Predigt am Stephanustag auf das Wort Jesu im Johannesevangelium ein: „Wo ich bin, da soll auch mein Diener sein“ (Joh 12,26). „Ja, wir können annehmen, dass der Wortlaut auch so geheißen hat: Wo ich bin, da soll auch mein Diakon sein. Ich bin dein Diakon gewesen, ich habe mein Blut für dich vergossen, mein Leben für dich hingegeben. Lass an mir nun dein Wort in Erfüllung gehen“ (Sermo 319).
„Stephanus“ bedeutet: der Bekränzte, der Gekrönte. Das alt-armenische Lektionar für Jerusalem sieht am Gedenktag des heiligen Stephanus seit 417, dem Jahr der Übertragung seiner Reliquien in das neue Heiligtum, eine liturgische Verwendung von Psalm 5, Vers 13b vor. Dort heißt es: „Herr, wie mit einem Schild hast du uns gekrönt (griechisch: e-stephan-osas) mit deiner Treue.“ Dies legt nahe: Stephanus redet mit den Psalmworten mit dem, der dem Märtyrer die Krone des Lebens reicht.
Weihnachten ist durch eine vertiefte Sicht in das Ostergeheimnis entstanden. Im Antwortgesang der sogenannten Lesehore des Stundengebets am 26. Dezember heißt es: „Gestern wurde der Herr auf Erden geboren, damit Stephanus heute für den Himmel geboren wird. Gestern ging unser König aus dem Schoß der Jungfrau hervor und besucht in Gnaden die Welt. Damit Stephanus heute für den Himmel geboren wird.“