Kinderrechte ins Grundgesetz?

Die Initiative von Familienministerin Christine Lambrecht, Kinderrechte, wie das Recht auf gesellschaftliche Beteiligung und körperliches und seelisches Wohlergehen, ausdrücklich in der deutschen Verfassung zu verankern, wurde von manchen mit Begeisterung aufgegriffen, von anderen stark kritisiert. So warnt Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus davor, das Grundgesetz immer dem Zeitgeist entsprechend zu ändern und es damit mit Detailfragen zu überfrachten. Wenn es in einer Familie „einigermaßen normal laufe“, solle der Staat nicht das Recht haben, in die Erziehung einzugreifen.

Auch der katholische Familienbischof von Berlin, Heiner Koch, spricht von einem „wohl austarierten Verhältnis“ zwischen der Selbstbestimmung der Eltern und den staatlichen Überwachungsmöglichkeiten, das durch zu offen formulierte einklagbare Kinderrechte gekippt werden könnte. Ähnliche Kritik gibt es auch von juristischer Seite. Der Verfassungsrichter Arnd Uhle warnt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vor dem „Risiko einer bundesverfassungsgerichtlichen Neubewertung des Elternrechts“, das deutlich geschwächt werden könnte. Kinder stehen grundsätzlich unter dem Schutz der Menschenrechte, weshalb es auch keine „kinderrechtliche Schutzlücke“ gebe, die mit einem Gesetzentwurf geändert werden müsse. Damit sieht er in der vorgeschlagenen Änderung auch „keinen kinderrechtlichen Mehrwert“. Am Ende gewinnen nur staatliche Stellen an Einfluss.

Der Diözesan-Caritasverband Freiburg sieht das anders. Kinderrechte könnten nicht ohne Elternrechte gedacht werden, „und daran will auch niemand etwas ändern“, schreibt Direktorin Mathea Schneider im Magazin „Neue Caritas“. Die zahlreichen physischen und seelischen Bedrohungen, denen Kinder „aufgrund ihrer unterlegenen Position mit steigender Tendenz“ ausgesetzt seien, verlangten nach einem allgemeinen „Perspektivenwechsel“. Die Bedeutung der Rechte der Jüngsten für die Gesellschaft „erfordert den stärksten Rechtsstatus, den ein Land seinen Kindern bieten kann. Dieser Anspruch kann nur durch das Grundgesetz festgeschrieben werden.“

Der Familienbund der Katholiken widerspricht der Darstellung, Minderjährige würden vom aktuellen Recht nicht ausreichend geschützt. „Kinder sind Menschen und deshalb bereits heute selbstverständliche Träger der Grundrechte“, heißt es in einer Stellungnahme. Dass ausgerechnet eine Justizministerin dieses Prinzip nicht zu kennen scheint, sei „bestenfalls peinlich“.

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