Das Leitungsamt der katholischen Kirche – einschließlich ihrer Laienverbände – ist momentan vor allem mit Binnenproblemen wie dem Seelsorgenotstand und Reformmaßnahmen infolge des sexuellen Kindesmissbrauchs beschäftigt. Daher fiel die Reaktion auf die jüngste Aufkündigung des INF-Vertrags durch die amerikanische und dann auch durch die russische Regierung eher verhalten aus.
INF bedeutet Intermediate Range Nuclear Forces (Nukleare Mittelstreckensysteme). In dem 1987 bei einem Gipfeltreffen in Washington unterzeichneten Abkommen zwischen Washington und Moskau ist die Vernichtung aller landgestützten atomaren Flugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 bis 5500 Kilometern beschlossen. Verboten wurden der Besitz, die Produktion und Flugtests mit entsprechenden Waffen. Auch neue landgestützte Trägersysteme dieser Reichweite für nukleare Gefechtsköpfe sind nicht erlaubt. Die Aufkündigung des Vertrags wurde damit begründet, dass jeweils die Gegenseite seit langem dagegen verstoßen und neue Trägersysteme für kürzere und mittlere Flugstrecken entwickelt habe.
Das bedeutet: Mittel- und Westeuropa sind neu zur Zielscheibe geworden, aber – für Amerika – neu auch zu einem atomaren Stationierungsgebiet. Daher erklärte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck, der zugleich Militärbischof ist, die Aufkündigung der Rüstungsbegrenzung sei „ein begründeter Anlass zu großer Sorge“. Wenn es nun zu einer Aufrüstungsspirale komme, würden die meisten Systeme wahrscheinlich in Europa platziert, und weitere Rüstungskontrollabkommen seien gefährdet.
Der ehemalige Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen, Präsident der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, fürchtet, dass „die Kontrahenten Trump und Putin“ mit der Aufkündigung des INF-Vertrags „die Welt und insbesondere Europa einem unverantwortlichen Risiko aussetzen“. Die Europäische Union müsse verhindern, „in einen neuen Kalten Krieg hineingezogen zu werden“. Dringend sei neu zu verhandeln und dabei China als weitere Weltmacht und Atommacht miteinzubeziehen.
Zudem bedeute die Kündigung des Abkommens über die Mittelstreckenwaffen einen schweren Rückschlag für den Atomwaffensperrvertrag, der seit fünfzig Jahren die wichtigsten Atomwaffenstaaten zu Abrüstungsverhandlungen verpflichtet. Dieser Vertrag stecke schon länger in einer Krise, da die offiziellen Atommächte die verlangten Abrüstungsverhandlungen schlichtweg nicht führen.