Kirchenpolitik: Nicaragua und AmerikaBarmherzigkeit und Strafe: Ernesto Cardenal und Theodore McCarrick

Der Papst aus Lateinamerika, welcher der Befreiungstheologie als Hoffnung der Armen nahesteht, bleibt seiner reformoffenen Haltung treu und lässt Barmherzigkeit walten: Daher hat er dem schwer erkrankten 94-jährigen nicaraguanischen Priesterdichter Ernesto Cardenal wieder die volle Ausübung seines priesterlichen Dienstes erlaubt. Damit sind die von Papst Johannes Paul II. gegen Cardenal verhängten Strafmaßnahmen wegen dessen „Ungehorsams“ aufgehoben. In der Zeit der revolutionären Umwälzungen nach dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza durch die Sandinistische Befreiungsfront Ende der siebziger Jahre hatte Cardenal im Widerspruch zur vatikanischen Weisung ein politisches Amt als Kulturminister angenommen. Inzwischen hat sich Cardenal jedoch längst von den Sandinisten und deren autokratischem Herrscher Daniel Ortega losgesagt.

Der vatikanische Gesandte in Nicaragua, Stanisław Sommertag, hat Ernesto Cardenal im Krankenhaus aufgesucht, um ihn über den Beschluss von Papst Franziskus zu informieren. Sommertag hatte Cardenal bereits Anfang Februar in dessen Haus getroffen. Im Zuge eines – wie es heißt – „offenen und freundschaftlichen Gesprächs“ habe dieser um die Wiederaufnahme ins priesterliche Amt gebeten. Der Nuntius feierte im Krankenhaus zusammen mit Cardenal, der in seinem Bett mit einer Stola bekleidet war, die Eucharistie.

Auch Managuas Weihbischof Silvio Baez kam in die Klinik. Nach der Begegnung erklärte er: „Heute habe ich meinen Bruder und priesterlichen Freund, Padre Ernesto Cardenal, besucht, mit dem ich einige Minuten sprechen konnte.“ Anschließend sei er vor dem Krankenbett niedergekniet, um Cardenals Segen als Geistlicher der katholischen Kirche zu erbitten. Cardenal habe ihn gesegnet.

Im Unterschied zu diesem Ereignis, das in Nicaragua starke Anteilnahme auslöste, hat Papst Franziskus den 88-jährigen einstigen Washingtoner Erzbischof und Kardinal Theodore McCarrick zwangslaisiert, also aus dem priesterlichen Dienst entlassen. Die schwere Strafe gegen den Kirchenführer, der einst unter anderem wegen seines sozialen Engagements, seines diplomatischen Geschicks und seiner Verbindungen in höchste politische wie gesellschaftliche Kreise hinein hoch angesehen war, wurde verhängt, weil er zwischen 1970 und 1990 Priesteramtskandidaten zu sexuellen Handlungen verführt und Minderjährige sexuell missbraucht haben soll.

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