Es war ein Experiment, als die evangelische Christophorus-Kirche in Hamburg-Altona zu einer „Kirche der Stille“ umgebaut wurde. Kirchenbänke, Kanzel und Altar wurden entfernt, und ein heller, weiter Raum mit Sitzkissen und Stoffmatten entstand. Mittlerweile zieht dieser Sakralbau viele Menschen an. Mehr als 16000 kamen im vergangenen Jahr zu Meditationen, Gottesdiensten, Konzerten und anderen Veranstaltungen.
Vor zehn Jahren drohte der schmucken neugotischen Kirche der Verkauf. Der Gottesdienstbesuch war gering, und die Gemeinde Altona-Ost hatte mit der Friedenskirche und der Kulturkirche St. Johannis zwei repräsentative Gotteshäuser. Doch Pastorin Irmgard Nauck wollte nicht tatenlos zusehen und entwickelte mit einem Team das Konzept für eine Meditationskirche. Nicht Predigt und Lesungen sollten im Mittelpunkt stehen, sondern meditative Andachten, in denen viel gesungen und geschwiegen wird.
Zu den spirituellen Angeboten zählen Handauflegen, Kontemplation, Zen und das Herzensgebet. An Werktagen beginnt um 18 Uhr eine halbstündige „Atempause vor dem Abend“. Schulklassen entdecken die Stille als große Herausforderung. Allein dass die Jugendlichen ihr Handy abschalten müssen, ist für viele schon befremdlich. Für einige Veranstaltungen wird Eintritt erhoben.
Vielen Menschen falle es schwer, einfach still zu sein, zu schweigen, hat Pastorin Nauck beobachtet. „Manche fühlen eine Riesentraurigkeit.“ Doch oft entdeckten sie in diesem inneren Dunkel einen Grund, der ihr Leben trägt. Es sei ihr ein „Herzensanliegen“, Menschen auf diesem Weg zu begleiten. Pastorin Melanie Kirschstein, seit zwei Jahren an der „Kirche der Stille“ tätig, fasziniert vor allem die spirituelle Weite. Die Kirche biete einen „offenen Raum“ für Menschen, die auf der Suche sind. Die Stille eröffne neue Formen des Gebets. So sei die Zen-Meditation ursprünglich eine buddhistische Meditationsform, die aber auch Christen eine innere Einkehr ermögliche. Die beiden Pastorinnen bieten auch seelsorgliche Gespräche zu Lebenskrisen an.
Das Publikum ihrer Kirche sei etwas jünger als in den Ortsgemeinden, erklärt Melanie Kirschstein. Es würden evangelische und katholische Christen kommen, aber auch Nichtreligiöse, Buddhisten und Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind. „Sie alle suchen etwas, was sie im Innersten berührt.“ Es gebe in der heutigen Zeit eine tiefe Sehnsucht „nach Heil und Heilung“. Die christliche Tradition biete viele verborgene Schätze, die es zu entdecken gilt.