Dass etwas bedeutsam ist, erkennt man heutzutage daran, dass es einen Hashtag hat. Das ist ein digitales Lesezeichen, ein Stichwort, unter dem sich in den sozialen Netzwerken alle Beiträge zu einem Thema finden lassen. Vor ein paar Tagen machte der Hashtag #StelterGate im Internet die Runde. Er bezog sich auf eine Szene bei einer Karnevalssitzung in Köln. Der Komiker Bernd Stelter hatte dort einen Witz über Doppelnamen versucht, veranschaulicht an Annegret Kramp-Karrenbauer. Eine Frau aus dem Publikum, selbst einen Doppelnamen führend, fühlte sich persönlich angegriffen. Sie kletterte auf die Bühne und stellte den Comedian zur Rede. Seither wird im Netz leidenschaftlich diskutiert, auf welche Seite man sich schlagen sollte, um moralisch gut dazustehen. Von „Empörung“ und „Eklat“ schreiben die Medien.
Somit hat also auch der Karneval seinen Aufreger. Wie sollte es anders sein in Zeiten, in denen alles immer furchtbar wichtig ist? Politiker überlegen sich jede Äußerung, jede Geste aufs Sorgfältigste – aus der begründeten Sorge heraus, sie könnte einem hinterher um die Ohren gehauen werden. Auf der „Berlinale“ und bei der „Oscar“-Verleihung hat sich soeben die Filmbranche inszeniert, als wäre sie der Nabel der Welt. Professioneller Fußball verströmt längst nichts mehr die kindliche Freude am Spiel. Da werden zig, teilweise hunderte Millionen Euro pro Spieler umgesetzt – und das merkt man dann auch an dem Aufhebens, das darum gemacht wird. Selbst in den Kirchen ist es kaum anders. Meint nicht so mancher Funktionsinhaber, ob Bischof, Pfarrer oder Laie, er habe jetzt mit seinen Lösungsvorschlägen – reformorientiert oder traditionell – den „Stein der Weisen“ gefunden? Welche Selbstüberschätzung!
Dass nun auch der Karneval – oder: Fastnacht, Fasching, wie es andernorts heißt – derart ernstgenommen wird, entspricht einerseits diesem Trend. Auf der anderen Seite kann uns der Vorgang in seiner ganzen Übersteigerung die Narretei einer sich selbst übertreibenden Kultur vor Augen führen. Ist es nicht widersinnig, wenn selbst in der „fünften Jahreszeit“ dieselben Gesetzmäßigkeiten gelten wie sonst im Jahr? Geht es beim Fest des Absurden, des Narrentums nicht darum, geltende Hierarchien, Ordnungen, Aufgeblasenheit infrage zu stellen, der Lächerlichkeit preiszugeben? Um sich hinterher, in der Fastenzeit, wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren?
„Narrenmund tut Wahrheit kund“, sagt ein Sprichwort. Tatsächlich könnte uns das Narrentum daran erinnern, dass hier unten alles vorläufig ist. Und dass deshalb gerade diejenigen lächerlich sind, die sich selber so besonders vorkommen. Um es mit Johannes XXIII. zu sagen, jenem sympathischen „Narren“ – andere sagen: Propheten – auf dem Stuhl Petri: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!“