Der Gründer der katholischen Gemeinschaft Sant’Egidio wirft Europas Politikern Versagen im Umgang mit Migranten vor. Das Thema sei nie angemessen behandelt worden, beklagte Andrea Riccardi in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Zu lange hätten etwa Deutschland und Frankreich sein Heimatland beim Umgang mit Flüchtlingen alleingelassen, so der Italiener. Dies habe zum Aufstieg der rechtsgerichteten Lega beigetragen.
Riccardi forderte von der neuen EU-Kommission eine „Politik der gemeinsamen Verantwortung“, die in Notsituationen schnell handle. Zudem müsse man mittel- und langfristig den afrikanischen Ländern helfen, den Migrationsdruck zu regulieren, der durch den Klimawandel aller Voraussicht nach zunehmen werde. Dazu gehörten auch tragfähige Konzepte der Entwicklungshilfe. „Mit der Logik der Abschottung und der Mauern allein wird man nichts erreichen.“
Eine düstere Bilanz zog der Sant’Egidio-Gründer und ehemalige italienische Minister mit Blick auf die Lage im Nahen und Mittleren Osten. Der Krieg in Syrien werde so lange weitergehen, bis Präsident Baschar al-Assad gewonnen habe. Viele Probleme wie etwa die Kurdenfrage harrten jedoch weiter einer Lösung. Zudem gebe es keine Zivilgesellschaft mehr in Syrien.
Die Christen konnten laut Riccardi unter Assad oder auch unter Saddam Hussein im benachbarten Irak ihre Religion vergleichsweise frei praktizieren und stützten deswegen beide Herrscher lange Zeit. Jetzt zahlten sie dafür einen hohen Preis. „Der Nahe und Mittlere Osten wird mit der Vertreibung und Flucht der christlichen Minderheiten in religiöser und kultureller Hinsicht ärmer.“