Dass die Kaufmännische Krankenkasse in der Fastenzeit zur Smartphone-Askese aufgerufen hat, dürfte ziemlich ungehört verhallt sein. Zu eng ist die Bindung vieler Nutzer an ihr Telefon. „Man verwächst mit dem Smartphone, es wird als Teil des Körpers oder der Hand empfunden“, schreibt Catarina Katzer, Leiterin des Instituts für Cyberpsychologie und Medienethik in Köln, in der Zeitschrift „Die Politische Meinung“. Für so manchen „wird der Internet-Rhythmus zum Biorhythmus“. Ein Abend, eine Bahnfahrt oder auch nur ein Spaziergang ohne den digitalen Begleiter ist undenkbar – und kaum geht der Akku zur Neige, steigt das Stresslevel.
Auf die Leistungsfähigkeit von Teenagern und Erwachsenen kann das schwere Auswirkungen haben. Wer alle paar Minuten sein Smartphone checkt, kann sich nicht lange konzentrieren. Eine „digitale kognitive Überforderung“ ist die Folge: „Die Fehleranfälligkeit steigt, die Auffassungsgabe verringert sich, Erfahrungen werden nicht mehr abgespeichert.“ Bei Kleinkindern sind die Effekte oft noch dramatischer. So kann sich die Sprachfähigkeit bei anderthalbjährigen Kindern verzögern, und „das Verständnis von Gestik und Mimik wird schlechter erlernt“, wenn die Kleinen zu lange vorm Bildschirm sitzen.
In einer Studie wurde kürzlich gezeigt, welche Spuren die Stunden vor Smartphone oder Tablet in den sich entwickelnden Gehirnen von Kleinkindern hinterlassen. Je länger die Kinder mit den Geräten beschäftigt waren, desto weniger „weiße Substanz“ bildete sich in ihrem Hirn. Diese Verbindungssubstanz, in der „Welt“ als „Datenautobahn, über die die Hirnzentren in Hochgeschwindigkeit miteinander kommunizieren“, bezeichnet, ist ein wichtiger Baustein der frühkindlichen Entwicklung. Zerstört die Technik also die Gehirne der Kinder? Die Wissenschaftler sehen das differenzierter. „Das Hauptproblem ist in meinen Augen, dass Kinder, die viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, weniger selbst sprechen und weniger dem Sprechen anderer lauschen“, wird der Braunschweiger Neurobiologe Martin Korte zitiert. Es sei nur wichtig, genug Zeit für gemeinsames Spielen einzuplanen. Gleichzeitig sollte den Kindern früh beigebracht werden, regelmäßige Pausen von der digitalen Welt einzulegen, um sie zu „kompetenten Cybernauten“ (Catarina Katzer) zu machen. Eine Smartphone-Fastenzeit dann und wann ist da vielleicht doch keine schlechte Idee. Und zwar für Kinder und Eltern.