Der Sozialwissenschaftler Klaus Leisinger wünscht sich eine neue Wertschätzung für Menschen, die scheinbare Erfolgsgeschichten hinterfragen und auf Probleme und Ungereimtheiten hinweisen. „Man denke an das jahrelange Vertuschen rechtswidriger Handlungen in der Automobilindustrie, an bewusst illegitime Finanztransaktionen bei den Banken oder Kartellabsprachen“, schreibt er in der „Badischen Zeitung“. Wer unangenehme Fragen stellt, werde heute „zwar nicht mehr geköpft – aber geschätzt und geachtet im Regelfall auch nicht, im Gegenteil.“
Entscheidungsträger, die sich nur mit „opportunistischen Jasagern“ umgeben, können die Risiken ihres Handelns oft nicht mehr richtig einschätzen. Leisinger rät deshalb, eine Institution der katholischen Kirche zum Vorbild zu nehmen: den Advocatus Diaboli (Anwalt des Teufels), der – ursprünglich in Selig- und Heiligsprechungsprozessen – gezielt nach Argumenten gegen das Vorhaben sucht. „So etwas wäre auch außerhalb der katholischen Kirche denkbar. Forscher mit embryonalen Stammzellen, die Gentechnologie oder ein Zielkonflikt zwischen Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und der Sicherheit seiner Arbeitsplätze – ein Advocatus Diaboli könnte in all solchen ethischen Fragen tatsächliche oder potentielle Risiken benennen und den Blick für moralische Dilemmata schärfen. Das könnte einen blinden Enthusiasmus bremsen und helfen, Selbsttäuschung und Sackgassen zu vermeiden.“