„Wir können im Jahr 2000 mit einem ganz anderen Weltbild unmöglich so von Gott reden, wie das bis ins 19. Jahrhundert noch geschah.“ Dieser Satz, den der Benediktinerpater Willigis Jäger vor zwanzig Jahren in CHRIST IN DER GEGENWART schrieb, gilt heute noch wie damals. Jäger war zeit seines Lebens auf der Suche nach neuen Wegen, von Gott zu sprechen und seine Gegenwart erfahrbar zu machen. Er fand sie im Buddhismus und ließ sich in Japan zwölf Jahre lang zum Zen-Meister ausbilden. 2004 eröffnete er in Holzkirchen im Landkreis Würzburg das Tagungszentrum „Benediktushof“ als überkonfessionelles „Zentrum für spirituelle Wege“ und Begegnungsstätte für alle Suchenden. Hier verband er intensive Körperarbeit und Meditationsübungen mit Gebet und Mystik.
Mit dieser Offenheit erregte Jäger auch Widerspruch. Im CIG legte er seine Sicht in einem Artikel dar und eröffnete damit eine breite, weiterführende Debatte mit vielen Facetten zu Zen und christlicher Kontemplation (vgl. die Beiträge in den CIG-Ausgaben Nr. 19, 20, 30 und 38 aus dem Jahr 2000). Die vatikanische Glaubenskongregation warf Jäger allerdings unzulässige Verkürzungen des Gottes- und Glaubensverständnisses vor. 2002 wurde der Ordensmann mit einem Rede- und Schreibverbot belegt, das er schon nach kurzem „aus Gewissensgründen“ brach. Es folgte eine Beurlaubung aus der Klostergemeinschaft von Münsterschwarzach. Jäger blieb jedoch Mitglied der Benediktiner, beheimatet in seiner Kirche. „Mir geht es nicht um eine Vermischung der Religionen“, stellte er in einem Interview mit „Publik-Forum“ klar. „Man wird dem Selbstverständnis der Religionen nicht gerecht, wenn man sich die Elemente zusammensucht, die einem passen. Ich bin Christ und werde es auch bleiben.“
In seinem CIG-Artikel beschrieb Jäger das „Erwachen zu unserem wahren Wesen“ als seine Vorstellung von Erlösung: „Was wir wirklich sind, beginnt nicht mit der Geburt und endet nicht mit dem Tod. Die vorpersonale Wirklichkeit entfaltet sich auf einem zeitlosen Hintergrund. Das Personale und Individuelle entsteht, wenn diese erste Wirklichkeit heraustritt und sich in die unzähligen Formen ergießt.“ Kurz nach seinem 95. Geburtstag ist Willigis Jäger gestorben. Beigesetzt wurde er auf dem Friedhof der Mönche in seinem Heimatkloster Münsterschwarzach.