Es gehört zu den Grundüberzeugungen der Mystik, dass mystische Erfahrungen dem Menschen passiv zuteil werden, er sie also nicht aktiv selber „machen“ kann. Häufig wird gleichzeitig die Ansicht vertreten, dass es möglich sei, sich auf solche Erfahrungen vorzubereiten, indem man ein regelmäßiges Gebetsleben pflegt, wie das bei den Tagzeitengebeten in Klöstern und Kommunitäten der Fall ist, oder ganz allgemein indem man regelmäßige Zeiten der Stille und Besinnung einhält… Immer wieder wird von mystischen Erfahrungen während dieser Zeiten berichtet. Anderen wurden diese Erfahrungen völlig unvorbereitet und unerwartet zuteil. Das gilt etwa für den Apostel Paulus, der das Christentum auszulöschen versuchte und plötzlich eine Begegnung mit Gott in der Gestalt Jesu Christi hatte. Die Konstitutionsbedingungen mystischer Erfahrungen sind so unterschiedlich wie die Menschen, denen sie zuteil werden.
Peter Zimmerling in: „Mitten im Gelärm das innere Schweigen bewahren“ (Evangelische Akademie Baden, Karlsruhe 2019)