Aphorismen gehören nicht zu den großen literarischen Formen wie der Roman oder der Essay. In einem einzigen zugespitzten Satz wollen sie ihre Botschaft vermitteln. „Ein Standpunkt ist kein Grund, sich nicht zu bewegen“, so eine Sentenz von Michael Rumpf, der Germanist ist, Pädagoge und Philosoph und seit Jahrzehnten in der Kunst der so verknappten wie hellsichtigen Weisheit brilliert. Einer Weisheit, die schnell gelesen ist, doch lange nachhallt. „Wie können wir die Substanz bewahren und dennoch dem Ruf der Zeit nicht hilflos gegenüberstehen?“ So würde wohl die sperrige Version dieses Gedankens lauten.
Ein Aphorismus löst Sperriges in Luftiges auf. Das gilt auch für die bedrängenden Themen unserer Existenz. „Dass wir vergänglich sind, heißt nicht, dass wir ersetzbar sind“, heißt es dazu etwa bei Michael Rumpf, fast schon metaphysisch. Ein anderer Aphorismus behauptet widerborstig: „Was an der Zeit ist, braucht keine Argumente.“ Das muss man zwei Mal lesen, ohne wirklich sicher zu sein, was hier Ironie ist, was Melancholie. Ein produktiver Zustand!
Exakt 444 weise „Singles“ (wie Rumpf sie selbst nennt) sind in dem handlichen Buch versammelt, eine reiche aphoristische Ernte zum Denken und Weiterspinnen. „Nichts auszulassen, ist der sicherste Weg, das Wesentliche zu verpassen“, heißt es zum Beispiel. Eine gewichtige Einsicht, bei der sich der Aphoristiker selbst sekundiert: „Wer einen Gedanken verfolgt, muss viele laufen lassen.“