Eine Dogmatik für ein angesehenes Lehrwerk zu schreiben, das für evangelische Studierende bestimmt ist, ist keine geringe Herausforderung. Ein solches Buch will ja umfassend und gründlich über die Dogmen der Kirche(n) informieren und diese analysieren. Der Wiener reformierte systematische Theologe Ulrich H. J. Körtner bewältigt diese Aufgabe im vorliegenden Band aufs Beste. Er wählt den Zugang zu allen Teilbereichen, indem er eine „soteriologische Interpretation der Wirklichkeit“ vornimmt. Mit Hilfe dieser Zuspitzung auf die menschliche Erlösungsbedürftigkeit hin – das altgriechische soter bedeutet Erlöser – gelingt eine klare Strukturierung der Stofffülle bei gleichzeitiger Vielfalt in einzelnen Fragen.
Der Band ist in fünf Hauptteile gegliedert. Dem Sinn nach geht es um einleitende Bemerkungen, Glaube und Offenbarung, Schöpfung, Erlösungsbedürftigkeit sowie Erlösung. Jeder Teil wird anhand der Leitbegriffe „Gott“, „Welt“ und „Mensch“ entfaltet, die als roter Faden das Werk durchziehen. Eigens gekennzeichnete „Leitsätze“ fassen die wichtigsten Gesichtspunkte zusammen. Kleingedruckte Exkurse dienen der Vertiefung.
Eine Herausforderung für alle aktuellen Dogmatiklehrbücher ist das rechte Maß theologiegeschichtlicher Informationen. Hier werden sie jeweils dort geboten, wo sie für das Verständnis der Gegenwart von Bedeutung sind. Denn ihre besondere Stärke gewinnt diese Dogmatik in der kompakten Darstellung problemgeschichtlicher Zusammenhänge und indem sie den gegenwärtigen Diskussionsstand bündelt. Lutherisches wie reformiertes Erbe wird dabei gleichermaßen berücksichtigt, ebenso ökumenische Perspektiven, auch wenn der Autor bedauert, aus Gründen des Umfangs die anderen christlichen Theologien viel zu wenig einbeziehen zu können. Ein fast vierzigseitiges Literaturverzeichnis rundet das Ganze ab.
Lesefreundlich ist, dass Körtner auf einen ausgedehnten Anmerkungsapparat verzichtet und in der überschaubaren Anzahl von 1300 Fußnoten Zitate und wichtige Quellen belegt. Der Schreibstil ist an keiner Stelle theologisch-fachsprachlich verquast. Auch komplexe Sachverhalte werden verständlich dargestellt.
Wer den Stand gegenwärtiger evangelischer Dogmatik kennen möchte, wer wissen will, was in der evangelischen Theologie „gilt“, ist mit diesem Werk hervorragend beraten, auch und gerade katholische Leserinnen und Leser. Dies gilt besonders für Lehrer der Theologie und Gymnasiallehrkräfte, insbesondere dann, wenn sie sich in Situationen bewähren müssen, in denen Inhalte je anderer Konfession vermittelt werden oder gemischtkonfessioneller Religionsunterricht erteilt wird.