Mit scharfen Worten hat die ehemalige Ministerpräsidentin von Thüringen Christine Lieberknecht den Kirchen Versagen in der Corona-Krise vorgeworfen. Sie hätten „hunderttausende Menschen allein gelassen. Kranke, Einsame, Alte, Sterbende“, so die Politikerin in der „Welt“. „Es sind 8000 Menschen an Covid-19 gestorben, aber seit März auch 150000 Menschen aus anderen Gründen. Wo war da das Wort der Kirchen?“ Es habe keinen Trost und keine Aussegnung am Sterbebett gegeben. „Da wurde kein letzter Psalm gebetet.“ Das sei unmenschlich. Dabei hätte es nach dem Infektionsschutzgesetz auch ein Recht für Geistliche auf die Begleitung von Sterbenden gegeben.
Die Kirche sei „nicht irgendeine zivilgesellschaftliche Organisation“. Sie melde sich bei gesellschaftlichen und politischen Auseinandersetzungen stets zu Wort. „Aber zur Corona-Krise war nur Schweigen. Viele Seelsorger fühlten sich von der Amtskirche im Stich gelassen“, so die frühere evangelische Pastorin. Corona-Tests für Seelsorger hätten die Ansteckungsgefahr verringern können. Und: „Ein seelsorgerliches Gespräch kann auch mit Abstandsregelung stattfinden. Aber dazu kam es oft gar nicht.“
Christine Lieberknecht lobte ihren Amtsnachfolger Bodo Ramelow, der zugegeben hatte, an der Beerdigung einer Nachbarin teilgenommen zu haben. Damit habe der Thüringer Ministerpräsident zwar gegen Regeln verstoßen, die er selbst in seiner Regierung aufgestellt hatte. Mit seiner Teilnahme habe er aber „einem unhaltbaren Zustand Gesicht gegeben“.