Schon vor der neuen Belastung durch Corona blieb in Krankenhäusern oft keine Zeit für echte zwischenmenschliche Kontakte zwischen Arzt und Patient. Das bedauert der Mediziner und Schriftsteller Rainer Jund in der „Welt“. Schuld sei die seit Jahren zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens, die Ärzte zwingt, möglichst zeitsparend zu arbeiten: „Wenn ich effizient sein will, muss ich schnell auf den Punkt kommen – ohne Respekt für die persönliche, die nicht sachliche Ebene eines Menschen.“ Tatsächlich lässt der Klinikalltag oft keine enge Bindung zwischen Arzt und Patient zu. So bestehen Visiten häufig aus „zehn Medizinern, die sich gegenseitig irgendwelche lateinischen Floskeln zurufen, während dreißig Zentimeter unter ihnen ein Mensch in seinem Krankenbett liegt, über den gesprochen wird, der aber kein Wort versteht.“
Diese klare Abgrenzung sei wohl manchmal nötig, um mit den menschlichen Dramen im Krankenhaus fertig zu werden. Im Einzelfall – etwa bei einer schweren Diagnose – brauchen Patienten aber die ungeteilte persönliche Aufmerksamkeit des Arztes. „Vielleicht sollte man da einfach seinen Mund halten, dem Ganzen etwas Raum geben, durch einen Blick nonverbal zu verstehen geben, dass man einfach da ist.“ Auch wenn das bedeutet, den vorher aufgestellten, möglichst effizienten Tagesplan über Bord zu werfen.