Die Corona-Epidemie mit den erzwungenen Beschränkungen des liturgischen Lebens besonders bei der Spendung der Kommunion hat orthodoxe Reformüberlegungen beschleunigt und die Frage aufgeworfen, ob man wirklich an allen altehrwürdigen kirchlichen Praktiken und Gewohnheiten als wesentlich für die Rechtgläubigkeit festhalten muss. Ein Vordenker mit vorsichtiger Reformfreudigkeit ist Elpidoforos Ioannis Lambriniadis, seit letztem Jahr griechisch-orthodoxer Erzbischof der Vereinigten Staaten. Für seine persönlichen Überlegungen und Vorschläge lässt er gern Journalisten sprechen.
So hat der New Yorker Publizist Theodoros Kalmoukos auf der Blogsite „Nyxthimeron“ (Nacht und Tag) der kleinen griechischen Insel Zakynthos (Zante) unter Berufung auf Lambriniadis darauf hingewiesen, dass der von großen Teilen der Orthodoxie als „unverzichtbar“ betrachtete Empfang der eucharistischen Gaben von Brot und Wein mit einem gemeinsamen Löffel keineswegs zu einer ununterbrochenen Tradition gehört, wie häufig behauptet wird. Die jetzt vielerorts staatlich untersagte Darreichung der Kommunion mit ein und demselben Löffel, der zur Gänze in den Mund der Gläubigen gelangt, wurde zum Beispiel 692 von der „Trullanischen“ Synode ausdrücklich verboten. In der Folge war die Löffelkommunion nur für Säuglinge vorgesehen, weil diese noch nicht wie Erwachsene kauen können, aber sehr wohl am heiligen Mahl teilnehmen dürfen und sollen, anders als es in den Westkirchen üblich ist. Erst im elften Jahrhundert setzte sich die durch den Löffel verabreichte Form der Kommunion für alle Gläubigen durch, so Kalmoukos mit Verweis auf den Erzbischof. Es gehe daher nicht an, die Löffelkommunion als urorthodox und unaufgebbar zu verteidigen.
In Deutschland lehnt der ökumenisch hoch engagierte griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos allerdings eine Änderung der Praxis der Kommunionspendung mit einem gemeinsamen Löffel strikt ab.
Der von Amerika aus angestoßene Reformdisput betrifft nicht nur den Kommunionempfang. Auch anderes, an dem Ostchristen, als angeblich zur Rechtgläubigkeit gehörend, festhalten, sei historisch gewachsen. Daher sei den Westkirchen nicht – wie oft gesagt – Glaubensabfall vorzuwerfen, vielmehr hätten sie das Recht auf ein Weiterdenken, Weiterformulieren und Weiterpraktizieren des gemeinsamen altkirchlichen Erbes unter dem Fortwirken des Heiligen Geistes. Dieser pfingstliche Geist wirke nicht nur gemäß der ostkirchlichen Überlieferung in den „alten“ Kirchen, sondern weiterhin ebenso in den Kirchen der westlichen abendländischen Überlieferung.