Der evangelische Theologe Wolfhart Pannenberg hat von Gott als der „alles bestimmenden Wirklichkeit“ gesprochen. Wer alles bestimmen können will, darf zu keinem Zeitpunkt abhängig sein von etwas, das ihm vorgegeben wäre. Nicht weniger hat Pannenberg der Theologie abverlangt, als auf allen Wissensgebieten zu klären, wie die Rede von Gott hier ihre Bedeutung entfaltet. Wenn Gott diese Wirklichkeit ist, dann muss er auch in Bezug gebracht werden zu Viren, bösartigen Hirntumoren und Erdbeben. Nicht ob dies zu geschehen hat, sondern ausschließlich wie dies geschieht, ist die Frage. Und ebenso muss dann auch geklärt werden, ob seine Allmacht – nichts anderes meint ja Pannenbergs Gottesbegriff – auch bezogen auf die Frage existiert, warum die Welt so ist, wie sie ist, ja mehr noch: dass sie überhaupt ist.
Ewig – oder in der Geschichte
Die von Pannenberg aufgebrachte größtmögliche Definition Gottes fügt sich, historisch betrachtet, in eine lange Denktradition ein. Der Auflösung einer Götterwelt zugunsten des einen Gottes oder auch des einen göttlichen Prinzips liegen komplexe religionsgeschichtliche Prozesse zugrunde. Dass aber der letzte Grund dessen, was sich an Phänomenen zeigt, nicht seinerseits ein Endliches sein kann, war allen klar, die sich an diesen intellektuellen Disputen beteiligten. Denn ein endliches, damit begrenztes Seiendes kann nicht Antwort auf die Frage geben, warum überhaupt etwas ist und nicht vielmehr gar nichts. Endliches kann sich nicht selbst ins Dasein gesetzt haben. Nicht verwundern kann daher, dass in diesem Zusammenhang der Begriff des Unendlichen eine große Faszination entwickelt. Es gibt Endliches, und dann gibt es „Gott“: „Gott“ ist in Abhebung zu allem Endlichen das Unendliche. Aber muss nicht gerade dann, wenn der letzte Grund alles Seins unendlich sein soll, immer bereits alles in ihn eingefasst und damit die Materie „ewig“ sein? Wie soll Unendlichkeit anders gedacht werden, ohne dass in dieser immer bereits alles existent wäre?
Als sich in der antiken Welt eine Religionsgemeinschaft bildete, die mit der Botschaft an einen von Gott auferweckten Hingerichteten auftrat und den Juden Jesus aus Nazareth dann noch als Sohn Gottes verstand, und als man diesen Glauben intellektuell rechtfertigen wollte, gehörte die Vorstellung von der Ewigkeit der Welt zum „Kernbestand der griechischen philosophischen Tradition“, so der Philosoph Theo Kobusch („Selbstwerdung und Personalität. Spätantike Philosophie und ihr Einfluss auf die Moderne“, Tübingen 2018, S. 270). Nicht, dass die Materie und damit die Welt ewig sei, hat die damalige Philosophie beschäftigt. Sondern lediglich, in welchem Zusammenhang sich das Göttliche (was auch immer darunter zu verstehen sei und sofern man nicht atheistisch dachte) zur Welt verhält und was dies wiederum für den Menschen bedeutet. Sich selbst verstehen und ein gutes Leben führen zu wollen, erfordert, sich solchen Fragen zu stellen.
Es überrascht nicht, dass sich an dieser Vorstellung einer ewigen Welt im Christentum ein deutliches Unbehagen entzündete. Der Glaube an den Geschichtsgott Israels wirkte hier fort. Ist die Welt ewig, kann Gott in seinen Handlungsmöglichkeiten nicht absolut frei sein. Im Anfang jedenfalls war er dies dann nicht. Eben diese Vorstellung von der Freiheit Gottes war aber zentral für den Glauben, wie er biblisch bezeugt wurde. Gott wird hier als ein den Menschen zugewandter, dialogischer Gott vorgestellt, der sich auf die Geschichte beziehen will. Wer sich so beziehen kann, der hat Freiheit. Nur wer Freiheit hat, kann sich dazu bestimmen, etwas zu wollen oder auch nicht zu wollen. Bezogen auf Gott aber stellt sich das Problem, dass er zugleich absolut sein muss in seiner Freiheit. Wenn er in seinem Handeln begrenzt wäre, weil ihm etwas vorgegeben ist, dann wäre er nicht frei. Deshalb störte die griechische Vorstellung von einer ewigen Welt.
In der antiken Welt hat man, rückblickend betrachtet, zu keiner widerspruchsfreien Lösung gefunden. Um den freien – und zwar in jeder Hinsicht freien – Gott denken zu können, hat man sich zwar auf den neuartigen Gedanken einer Schöpfung aus dem Nichts verständigt. Gott war dann ursprünglich in seiner Freiheit nichts vorgeordnet, auch keine Welt. Dann aber blieb nur die Möglichkeit, ihn als den zu denken, der die Welt, das andere seiner selbst, und in eins mit ihr deren Ordnungsstrukturen, aus dem Nichts heraus schuf und sie nun kontinuierlich in ihrem Dasein erhält. Nachvollziehbar war dies, aber konnte man diesen Gott in den zur Verfügung stehenden philosophischen Begriffswelten auch schlüssig denken? Denn ob Gott überhaupt als „frei“ gedacht werden kann, wenn er zugleich mit Begriffen wie „das schlechthin Eine“ oder auch „das Unendliche“ bestimmt wird, ist doch sehr fraglich. Was in seiner Unendlichkeit immer bereits alle umfasst, kennt keinen Raum für Zufall, Spontaneität und Nicht-Determiniertheit innerhalb des Universums.
Die offene Geschichte
Vor allem machte zu schaffen, wie Gottes Freiheit hinsichtlich des Phänomens der Zeit und damit der von Menschen erlebten Geschichte verstanden werden soll. Gott nicht von Zeit berühren, nicht davon abhängig werden zu lassen, schien denknotwendig zu sein, um seine Unveränderlichkeit retten zu können. Was veränderbar ist, ist endlich. Deshalb muss Gott in dieser Logik unveränderlich sein. Dann aber darf ihn auch nichts überraschen. Alles, was sich für den Menschen als nicht vorhersehbares Ereignis zeigt, hat sich in seinem allwissenden Bewusstsein immer bereits vorweg ereignet. Konsequent gedacht muss dies dann für alles gelten. Weder darf er dann überrascht werden durch Seuchenausbrüche, Erdplattenverschiebungen usw. Aber auch nicht durch das, was sich in der Geschichte ereignet. Und wusste dann Gott bereits im Schöpfungsentschluss, dass in der Menschheitsgeschichte nicht nur Ungeheuerliches geschehen könnte, sondern auch würde? Wer alles immer bereits weiß, kann nicht fassungslos werden, wenn Menschen auf brutalste Art massakriert werden.
Wenn deshalb Gottes Unveränderlickeit so gedacht würde, dass keine offene Zeit mehr denkbar ist, dann hätte er immer bereits alles gewusst, was geschehen wird. Was der Mensch als nichtdeteminiert und damit zu gestalten erlebt, wäre dann immer bereits in Gottes Bewusstsein versammelt. Der Mensch könnte dann nur noch ausführen, was Gott schon vorweg weiß. Eine größerere Erniedrigung des Menschen ist nicht denkbar. Wie frei wäre aber, umgekehrt gefragt, Gott dann? Er wäre es ebensowenig. Mit der grundlegenden biblischen Vorstellung einer offenen Geschichte hat ein solches Gottdenken nichts zu tun.
Der selbstbestimmte Mensch
Die in den ersten Jahrhunderten entstandenen Probleme, zu einem schlüssigen, also philosophisch belastbaren Gottesbegriff zu gelangen, ohne die biblische Sehnsucht nach einem aus der Not rettenden Gott aufgeben zu müssen, beschäftigen das Gottdenken bis heute. Sie verschärften sich sogar noch. Im ausgehenden 18. Jahrhundert war es Immanuel Kant, der die sich durchaus zuvor schon andeutenden Veränderungen im menschlichen Selbstverständnis mit der ihm eigenen Konsequenz ausführte. Es ist ein historisch betrachtet neuartiges Verständnis von Freiheit, das bei ihm nun vollends durchbricht: Nicht nur, dass die Konstruktion der Welt in der menschlichen Vernunft gründet, welche wiederum die Verwirklichung einer endlichen Freiheit ist, sondern dass Freiheit überhaupt die Lebensform des Menschen schlechthin ist. Es ist die für Menschen grundlegende Erfahrung, sich selbst bestimmen zu können und sich in eins damit als der Freiheit fähige Wesen zu wählen, die sich bei Kant auf den philosophischen Begriff bringt. Wie der Mensch lebt, präziser: leben will, ist Ausdruck von Freiheit. Aber auch der Versuch von Weltbeschreibung, der theoretischen Durchdringung von Kosmos und Natur, hat in der Freiheit und damit in der Vernunft, die der Mensch besitzt, seinen Ursprung. Dass sich der Mensch seine Welt konstruiert, bedeutet allerdings nicht, dass er sie sich beliebig zusammenbastelt. Was an Theoriemodellen zur Beschreibung von Kosmos und Natur entwickelt wird, muss empirisch nachgewiesen werden können, um als Wissen gelten zu dürfen.
Das naturwissenschaftliche Wissen war zur Zeit Kants im Vergleich zu heute noch sehr begrenzt. Aber bereits damals war längst akzeptiert, dass das Bild der antiken Theologen vom Kosmos keinen Bestand haben kann. Die Erde hatte ihre Zentralstellung verloren. Seit der Entdeckung des Fernrohrs ahnte man, dass der Kosmos ungeheure Weiten haben könnte und dass die physikalischen Prozesse, die sich hier abspielen, dynamisch sind. Der Evolutionsbegriff startete seine Karriere erst im 19. Jahrhundert, als Charles Darwin seine Theorie von der Entstehung der Arten aus biologischen Gesetzmäßigkeiten vorlegte. Doch lässt sich das evolutive Verständnis ebenso auf das Geschehen im Kosmos und dessen Gesetzmäßigkeiten anwenden. Sonnenfinsternisse zum Beispiel können für den Menschen ein Ereignis werden, weil sie mathematisch vorhersehbar sind. Das Erleben einer solchen Finsternis kann zu einem ästhetischen Ereignis werden und das menschliche Gemüt in Bewunderung versetzen. Aber nur bei Menschen, die nicht in einem naturwissenschaftlich aufgeklärten Weltbild leben, dürfte eine solche Verdunkelung der Sonne Angst und Schrecken verbreiten, dass Gott möglichweise einen Warnhinweis geben möchte.
Was ist, das wird
Nicht die Vorstellung eines in die Gesetzmäßigkeiten der Welt eingreifenden Gottes bestimmt von nun an ein naturwissenschaftlich geleitetes Denken, sondern das Konzept natürlicher Evolution. Ein wider die natürlichen Abläufe eingreifender Gott hat in einem solchen Denken keinen Platz, er wird methodisch ausgeschlossen. Die nächste Sonnenfinsternis wird, wie bereits jetzt errechnet, sicher eintreten. Es handelt sich um ein natürliches Geschehen, wie auch der Übergang eines Virus von einem Tier auf ein anderes ein natürliches Phänomen ist, Zufälle eingeschlossen. Was sich als dynamische Prozesse zeigt, ereignet sich aus naturwissenschaftlicher Sicht innerhalb von beschreibbaren physikalischen, biologischen usw. Gesetzmäßigkeiten. Wie aber kann in ein solches Weltbild noch die Vorstellung eines nicht nur ursprünglichen, sondern bleibend allmächtigen Gottes eingeschrieben werden?
Dass die im Credo überlieferte Gottesvorstellung sich nicht so leicht in das heutige, von den Wissenschaften geprägte Weltbild einschreiben lässt, wird seit geraumer Zeit philosophisch, zunehmend auch theologisch erahnt. Attraktiv werden immer mehr Überlegungen, die nicht an einer strikten Unterscheidung von Gott und Welt festhalten. Faktisch schließt man neu an Denkkonzepte an, wie sie bereits für die Antike erinnert wurden. Allerdings wollen diese Gotteskonzepte, gerade indem sie daran festhalten, dass alles in Gott eingefasst ist, das augenscheinliche Prozesshafte der Welt würdigen. Konsens ist hier aber, dass Gott kein Außerhalb seiner kennt. Wie genau ist dies aber zu verstehen? Ist Gott dann womöglich dieser Prozess selber? Ist er alles in allem, und entfaltet Gott sich gar erst als dieser eine, unendlich komplexe Prozess? So dass Gott nicht einfach „ist“, sondern ebenfalls „wird“? Ein immerwährendes Werden der Welt im Werden Gottes selber?
Dabei wird ein Grundgedanke aufgenommen, der bereits im neunten Jahrhundert durch den irischen Mönch Eriugena entwickelt wurde. Gott entäußert sich in seine Schöpfung, so dass nichts, was existiert, als von ihm getrennt gedacht werden könnte. War Gott zuvor mit dem Nichts identisch, kommt es durch eine radikale Selbstbegrenzung seiner zu einer Welt, in der Differenz und Dynamik herrscht. Zugleich ist der wahre Gott unendlich mehr als ein Endliches für sich. Die Welt wird zu einer einzigen Theophanie, einer Erscheinung, ja Offenbarung Gottes. Bei Hegel wird die Geschichte dann ihr Ziel erreicht haben, wenn in einem endlichen Bewusstsein auf den Begriff gebracht ist, dass das gesamte Natur- und Weltgeschehen darauf abzielte, die Identität von Absolutem und Endlichem auszuweisen. Der Paläoanthropologe und Jesuit Pierre Teilhard de Chardin hat die kosmische Evolution als ein dynamisches, keineswegs vollendetes Werden des Geistes begriffen. Gegenwärtig diskutiert wird vor allem das Panentheismuskonzept von Charles Hartshorne. Gott handelt demnach als kosmisches Individuum mit allem, was in der Welt existiert. Zugleich hat das, was aus menschlicher Freiheit geschieht, auch wieder Rückwirkungen auf Gott. Die von Gott geschaffene Welt wird als der Körper Gottes gedacht, so dass alles in Gott existiert, ohne dass die Welt in ihren prozesshaften Dynamiken identisch wäre mit Gott. Dieser geht keineswegs auf im Weltgeschehen. Was aber bedeutet das? Und wie steht es dann um die Freiheit des Menschen?
Soll der Mensch frei sein, darf diese Freiheit nicht auf eine andere Ursache zurückgeführt werden. So wie evolutionsgeschichtlich nicht in einem strikten Sinn erklärt werden kann, wie sich die spezifische Form menschlichen Bewusstseins und damit seine Freiheitsmöglichkeiten entwickelt haben, so ist dies auch biographisch nicht aus einer Kausalursache abzuleiten. Menschen können dazu aufgemuntert werden, Ich zu sagen und darin unvertretbar sich zu meinen. Freiheitsakte kennen nur eine Ursache, die Freiheit als Möglichkeit der Selbstbestimmung selbst. Ohne das Moment von Selbstursprünglichkeit an der existierenden, immer als verleiblicht zu begreifenden menschlichen Freiheit anzusetzen, wird deshalb dieses Ereignis in der biologischen Evolution nicht begreiflich. Es ist mit Gründen nicht zu wissen, wie Freiheit aus diesen Prozessen hervorgegangen ist. Deshalb hat die Freiheitsphilosophie der Neuzeit auch ihre Reflexionen mit der Feststellung ihres Faktums einsetzen lassen. Wer hier den Kopf schüttelt, hat sich schon als Freiheitswesen betätigt.
Verurteilt zu fragen
Mit dem Ereignis von Freiheit trat etwas völlig Neues in die Evolutionsgeschichte ein. Mit einem Mal war der Mensch nicht mehr nur Teil der biologischen Evolution, sondern frei: in einer Welt voller Schönheit und Gestaltungsmöglichkeiten, die ihm aber auch Anlass zur Klage geben konnte. Der Mensch fand sich in einer Welt vor, die er in Freiheit deuten kann und auch muss. Denn die Welt verstehen zu lernen, ist die Grundvoraussetzung dafür, sich selbst zu verstehen. Dass ein solches Sich-Verstehen auch eingebunden ist in historische Prozesse, ist offenkundig. Aber darum zu wissen, erlaubt es einem Individuum, nicht einfach abhängig zu sein von den Weltdeutungen anderer. Es kann sie sich zu eigen machen, sie neu modifizieren oder aber auch gänzlich ablehnen.
Auch Religionen und Gottesvorstellungen sind Deutungen der Welt, ihres Woher und Wohin. Diese Deutungen können einen unterschiedlichen theoretischen Überzeugungsgrad haben. Immer gehen auch Antworten auf die den Menschen belästigende Frage nach dem Sinn des Ganzen überhaupt in sie ein. Der Mensch scheint in einer merkwürdigen Weise dazu verurteilt zu sein, Sinnfragen zu stellen. Biblisch waren es nicht zunächst kosmologische Spekulationen, die über die Macht Gottes nachdenken ließen. Als Menschen zum ersten Mal den Gedanken erwogen, Gott müsse auch noch Macht über den Tod haben, geschah das, was Kant viele Jahrhunderte später als den Ausgangspunkt der Frage nach Gott unübertroffen festhielt: „Es ist: als ob sie eine Stimme wahrnähmen, es müsse anders zugehen.“ Hier und jetzt müsse es anders zugehen, und darauf ist das erste Augenmerk zu richten. Aber das reicht nicht. Es soll ein Gott sein, der von einer solchen Macht ist, dass er auch noch den Tod zu überwinden vermag. Nur ob dieser Gott auch existiert, wusste Kant nicht mehr zu versprechen.
Das Wunder Freiheit
Das christliche Glaubensbekenntnis setzt hier eine klare Option: Es rechnet mit dem Gott, der aus dem Tod rettet, und begründet diese Hoffnung darin, dass Gott bereits rettend gehandelt hat, am Gekreuzigten. Wird Gott aber als Rettermacht vorgestellt, dann schließt dies ein, ihn auch als Schöpfer der Welt zu glauben. Ein solcher Glaube sollte aber um seiner intellektuellen Redlichkeit willen nicht unterschlagen, was in den modernen Wissenschaften gilt: Die Erde ist nur eine Marginalie in einem gigantischen Kosmos. Der Mensch ist, naturwissenschaftlich betrachtet, genauso ein Ereignis der Evolution wie alle anderen Organismen und Lebewesen auch. Und wie es zu dem Wunder von menschlicher Freiheit kam, ist schlechterdings in einem Schema von Ursache und Wirkung nicht zu erklären. Wäre sie bewirkt, so gäbe es sie nicht.
Nun gibt es sie aber. Alltäglich leben die Menschen in ihr. Und vielleicht gibt es den freien Gott ja auch. Sollte dieser Gott darauf gehofft haben, dass sich in irgendeinem abgelegenen Winkel seiner Welt Freiheit regt? Eine sehnsüchtige Freiheit, die nach ihm Ausschau hält und die er dann würde mit sich beschenken und beglücken können?
Es war der im Jahr 2015 verstorbene Thomas Pröpper, der bisher am entschiedensten den Freiheitsgedanken theologisch gewürdigt hat. Er hat sich auch nicht gescheut, nach anstrengenden philosophischen Gedankengängen ins Poetische überzugehen. Einige Verse seien zitiert:
Meine Macht leuchtet genug aus den Sandkörnern des Meeres und aus den Sternen des Himmels.
Doch in meiner beseelten Schöpfung, spricht Gott,
wollte ich Besseres, wollte unendlich viel mehr.
Denn ich wollte ja diese Freiheit.
Hat er sie erschaffen? Oder konnte er nur auf sie hoffen? Ich plädiere für die vorsichtigere Variante. Die abschließenden Verse unterschreibe ich eins zu eins. Größer kann nicht von Gott, seiner um des Menschen willen sich selbst zurücknehmenden Allmacht, die sich damit keineswegs notwendig aufgeben muss, gedacht werden. Es ist dies die Allmacht einer unendlich sehnsuchtsvollen und seinem Sehnsuchtsgeschöpf dann liebend treu bleiben wollenden absoluten Freiheit.
Und alle Unterwürfigkeit auf der Welt reicht nicht heran
An den Blick eines freien Menschen.
Für diese Freiheit, diese Freiwilligkeit habe ich alles gegeben, spricht Gott,
Für diese Freude daran, vom freien Menschen geliebt zu werden,
Aus freien Stücken,
Wahrhaft vom Menschen, gereift, zärtlich und fest.
Um diese Freiheit, diese Freiwilligkeit zu erlangen, habe ich alles geopfert.
Um die Menschen die Freiheit zu lehren.