Wie kann ein (natur-)wissenschaftlich geprägter Mensch doch an Gott glauben, ohne sein Bewusstsein aufzuspalten? Der Jesuit Christian Kummer, Biologe und Theologe, geht dieser Frage treffsicher und originell nach, souverän zwischen den unterschiedlichen Disziplinen und erfinderisch in anschaulicher Schreibe.
Zunächst setzt sich der Autor mit all dem auseinander, was den Zugang zum Glauben erschwert. Das übliche Gottesverständnis etwa sei viel zu anthropomorph und personalistisch, besonders die Rede vom Handeln Gottes. Im real existierenden Christentum werde zudem zu viel „logischer Bodennebel“ verbreitet, also zu viel nur behauptet und nicht mit Argumenten präsentiert. Viele Äußerungen kirchlicher- und theologischerseits wirken „wie Begriffsdichtungen von einem anderen Stern“, ohne Bezug zu Lebensgefühl und Wissensstand.
Der letzte Grund für diese „theologische Umweltverschmutzung“ ist eine „unheilvolle Vermischung von Transzendenz und Immanenz“, erklärt Kummer: Gott ist als Horizont des Ganzen der Welt eben kein „Etwas“ oder „Jemand“ in dieser. „Gott als Bezugspunkt aller Welt kommt in dieser Welt nicht vor und verwickelt sich auch nicht in das Netz ihrer Aktionen“. Diese absolute Seinsmächtigkeit dessen, den wir Gott nennen, bedeutet freilich gerade nicht, dass „Er“ mit Welt und Mensch nichts zu tun haben könnte, ganz im Gegenteil. Kummer entfaltet ein dreistufiges Entwicklungsmodell für ein personales Gottesverständnis. Alles, was ist, spricht und geht uns demnach an. Wir geben immer schon re-aktiv Antwort auf das, was uns begegnet. Wir machen (!) Erfahrungen, sind also konstruktiv beteiligt. Auch religiöse Be-Deutungen von Realität sind auf diese Weise „anthropogen“. Der Gottesglaube entfaltet sich dort, wo der „Erfahrungsdialog mit der Wirklichkeit“ zum Zuspruch und Anspruch, zum Wort und Gegenüber wird.
Das wiederum braucht Gesicht und Namen. Diese „Ikonisierung“ findet dort statt, wo wir Jesus den Namen geben, der über allen Namen ist, und uns von ihm ein Bild machen (müssen) – wohl wissend, dass Christus die sichtbare Ikone des unsichtbaren Gottes ist und bleibt. Das geschieht in der Gemeinschaft des Glaubens, auch der Theologie. „Der personale Gottesglaube (ist) nicht als ein fertig aufgereinigtes Endprodukt zu haben“, so Kummer, sondern nur in einer inneren Lern- und Verlerngeschichte. Immer mehr wird und bleibt sie unglaublich und nicht zu fassen – und darin glaubhaft, jedenfalls nicht unvernünftig.
Dieses höchst lesenswerte Buch ermöglicht, was es verspricht: eine „theologische Grundreinigung“. An deren Ende zeigt sich der Gottesglaube umso mehr als das faszinierende Geschenk, das er ist: „das Offenbar-Werden der Personalität Gottes … als Genese im menschlichen Bewusstsein“.