Nachdem erst Anfang des Monats ein mehere Bundesländer umspannendes Kindermissbrauchs-Netzwerk aufgedeckt wurde, geraten durch eine neue Untersuchung der „Kentler-Experimente“ um den 2008 verstorbenen Sozialpädagogen Helmut Kentler nun auch pädagogische Einrichtungen ins Visier. Hier sollen pädophile Handlungen an Schutzbefohlenen akzeptiert, verheimlicht oder sogar verteidigt worden sein. Kentler ist dafür verantwortlich, dass seit Ende der sechziger Jahre bis ins letzte Jahrzehnt Pflegekinder gezielt an pädophile Männer vermittelt wurden. Sexuellen Missbrauch hatte er dabei „bewusst ignoriert oder sogar beschönigt und gefördert“ (vgl. CIG Nr. 47/2019, S. 518).
Eine Studie der Hildesheimer Universität zieht jetzt Verbindungen zum Pädagogischen Zentrum Berlin, dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, der Freien Universität und dem Pädagogischen Seminar Göttingen. Außerdem gab es bisher unbekannte Berühungspunkte zwischen dem Pädagogischen Zentrum in Berlin, an dem Kentler wirkte, und der Odenwaldschule, die wegen Missbrauchsfällen schließen musste.
Die Forscher sprechen von einem Netzwerk „allein lebender, mitunter mächtiger Männer aus Wissenschaft, Forschungseinrichtungen und anderen pädagogischen Kontexten“, die pädophile Verbrechen gefördert oder selbst begangen haben. Bisher waren hauptsächlich Nicht-Akademiker als Pflegeväter bekannt. Grundlage der Studie ist die Befragung mehrerer Betroffener und Aktennotizen. Diese sind aber oft sehr spärlich. So führte der Tod eines Pflegekindes 2001 lediglich zu zwei Vermerken. Wie viele Kinder im Lauf der Jahrzehnte zu Opfern des Netzwerks wurden, kann noch nicht ermittelt werden. Die Experten raten zu bundesweiten Nachforschungen.