Wer von Gott sprechen will, steht vor einer fast unlösbaren Herausforderung. Denn gerade christlich darf diese Rede zwar klar und direkt sein, weil sie Jesus als den Christus bekennt, den greifbaren Gott, mit beiden Füßen auf der Erde. Zugleich bleibt Gott stets größer als unsere Vorstellungskraft. Es gibt also einerseits viel zu sagen – auf der anderen Seite steht fest, dass man doch nie die richtigen Worte finden wird.
Die Journalisten Jan Feddersen („taz“) und Philipp Gessler („Zeitzeichen“) sehen die Kirchenkrise auch als eine Sprachkrise. Kirchliches Reden habe einen eigenen, unverwechselbaren Klang, der ein Gefühl der Nähe hervorrufen soll. Gleichzeitig strahle es „oft etwas Verlogenes“ aus, „das immer mehr Gläubige abstößt“. Die Autoren entwickeln ihre Analyse des gegenwärtigen Kirchen-Slangs im Gespräch mit Publizisten, Wissenschaftlern und kirchlichem Führungspersonal – oft ernst und entlarvend, bisweilen aber auch amüsant.
Feddersen und Gessler nehmen in Kirchenkreisen eine große Sorge wahr, einer schwindenden Institution anzugehören. Angesichts dieser Unsicherheit wolle man niemanden verschrecken. Das Resultat: „Man verkauft den christlichen Glauben …als eine für alle passende Wellness-Kur, eine Lebenseinstellung, die die Lebensleistung irgendwie steigert – oder schlicht als eine Wellness-Botschaft, die ,happy‘ macht.“ Die Folge seien anbiedernd leere Sprachhülsen wie „Wir dürfen hoffen, dass Gott mit uns geht an allen Tagen unseres Lebens“. Damit sei aber nichts Substanzielles gesagt. Es treffe nicht die harten Fragen unserer Zeit: Gibt es Gott? Können die biblischen Berichte über Jesus wahr sein? Feddersen und Gessler schreiben zugespitzt: „Diese gestanzten Sätze entziehen sich der Strittigkeit der Gottesrede in der Gegenwart.“
Aus Sicht der Autoren wäre es ein Ansatzpunkt, wenn Prediger ihre Zweifel nicht verstecken. Es brauche kein bloßes Reden über den Glauben, sondern aus dem eigenen Glauben heraus – und damit auch aus den Zweifeln und Unsicherheiten. Nur so bestehe überhaupt die Chance, dass kirchliche Gottesrede „echt“, streitbar und glaubhaft wird. Die Autoren zitieren den Theologen und Lyriker Christian Lehnert: „Ich wünsche mir manchmal, dass auf den Kanzeln mehr nach Worten gesucht wird. Mehr gestottert und gestammelt wird.“ Weitere Auswege aus einer viel zu oft blutleeren Kirchensprache seien die Poesie, eine radikal einfache Sprache und, ausgerechnet, das ehrliche Verstummen vor Gott.
Abgerundet werden die achtzehn knappen Kapitel durch ein Mini-Wörterbuch. Hier leisten die Autoren echte Übersetzungsarbeit kirchlichen Vokabulars, spitzzüngig und mit garantierten Wiedererkennungseffekten für alle kirchlich Engagierten, besonders die Hauptamtlichen.