Geschmacksproben des Göttlichen

Im Keramikgeschirr Gott erkennen, bei der Gartenarbeit biblischen Personen nachspüren oder beim Abendessen Gemeinschaft erfahren – Spiritualität kann nicht nur in der Stille oder gar bloß in der Kirche gelebt werden. Bei der niederländischen Theologin Maaike de Haardt durchzieht sie vielmehr den Alltag. In ihrem neuen Buch blickt die vor kurzem emeritierte Professorin auf ihr akademisches Leben zurück und verbindet die theologischen Themen, die ihr wichtig sind, mit Orten, an denen wir uns für gewöhnlich aufhalten: das Wohnzimmer etwa, die Küche, der Garten. Gerade in solchen alltäglichen Zusammenhängen, so ist die Autorin überzeugt, ist „jede Tradition, jede Form von Religion und Spiritualität entstanden“.

Das Haus, durch dessen Zimmer sie die Leser führt, ist der rote Faden des Buches.Maaike de Haardt weist jedem Raum ein Thema zu. Dabei schafft sie immer wieder Bezüge zu Büchern oder populären Filmen, die sie selbst bei ihren Gedanken inspiriert und begleitet haben. So denkt sie etwa im Schlafzimmer über Tod und Sterben nach und verweist dazu auf den Roman „A Reckoning“ von May Sortan, der von den letzten Tagen einer todkranken Frau handelt. In der Küche geht es unter anderem darum, wie Essen und Speisevorschriften Identität, aber auch Religion der Menschen zum Ausdruck bringen. Anhand des dänischen Spielfilms „Babette’s Feast“ erklärt Maaike de Haardt ihren eigenen Zugang zu „Spuren des Sakralen in Essfilmen“. Dabei interessieren sie weniger „klassische“ Themen wie Versöhnung, Erlösung und Eucharistie, sondern vielmehr die „religiöse und spirituelle Bedeutung der Nahrung, die im täglichen Leben anzutreffen sind“. Sie können „Geschmacksproben fürs Göttliche“ sein.

Maaike de Haardt war Professorin für feministische Theologie. Daher überrascht es nicht, dass sie der Frage der Gleichberechtigung ein großes Kapitel widmet. Sie verortet es im Studierzimmer, ganz in der Tradition Virginia Woolfs. Deren Roman „Ein Zimmer für sich allein“ gilt noch heute als Pflichtlektüre für alle, die sich mit Feminismus beschäftigen. Woolf wies darauf hin, dass für eine erfolgreiche Karriere oder ein großes Werk vor allem Zeit und Ruhe wichtig sind: „Eine Frau muss Geld und ein Zimmer für sich allein haben, um Romane schreiben zu können.“ Diese Voraussetzungen hatten in der Geschichte eher die Männer. Frauen dagegen mussten sich meist auch noch um die Familie und den Haushalt kümmern, waren finanziell abhängig. Heute haben Frauen bessere Bedingungen, um Bücher zu schreiben. Zum Glück! Denn sonst hätten wir vielleicht dieses kluge Bändchen nicht, das geschickt die Grenzen zwischen dogmatischer Theologie und der Spiritualität des Alltäglichen auslotet und zum Weiterdenken einlädt.

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de Haardt, Maaike

Das Fenster nach Süden Spiritualität des Alltäglichen

Verlag Herder, Freiburg 2020, 160 S., 20 Euro

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