Wenn Helden beten

Dass die Welt immer säkularer wird und Religion zunehmend aus der Öffentlichkeit verschwindet, zeigt sich auch an den Hauptfiguren im Fernsehen. Die Helden beten nicht, und sie berufen sich auf kein höheres Wesen. Eine durchaus sehenswerte Ausnahme in dieser Einförmigkeit der Unterhaltungsindustrie bietet die amerikanische Serie „Game of Thrones“, die zu einem der erfolgreichsten Fernsehereignisse der letzten Jahre wurde.

In Westeros – das an das mittelalterliche Europa erinnert – kämpfen verschiedene Herrscherhäuser um die Macht. Diese Welt verfügt über ein höchst komplexes Geflecht an Religionen. In der Serie spielen Motive wie Macht, Liebe, Rache und Versöhnung eine Rolle, aber ohne die religiöse Grundierung wäre die große Erzählung nicht denkbar. „In der Welt von Game of Thrones glauben die Menschen – an alte und neue Götter … Religiöse Konflikte führen zu Krieg und Zerstörung. Religiöse Ideen schenken Trost und Hoffnung. Aus Glauben kämpfen Menschen für das Leben und für den Tod, für andere Menschen und gegen sie. Es wird gezweifelt und verzweifelt. Glaube zerbricht und blüht auf“, schreibt der evangelische Theologe Thorsten Dietz, der – selbst ein großer Fan der Serie – dem Thema „Religion“ in Game of Thrones ein sehr lesenswertes Buch gewidmet hat. Er nimmt den Leser mit auf einen unterhaltsamen Streifzug durch die Glaubenswelten von Westeros. Dies ist selbst für Menschen reizvoll, die die Serie nicht gesehen haben. In den ersten Kapiteln lässt der Autor dabei vor allem der Beschreibung der verschiedenen Religionen Raum und gibt ihnen eine religionswissenschaftliche Deutung.

Im zweiten Teil befasst sich Dietz mit dem Seelenleben einzelner Protagonisten. Viele Sympathieträger der Serie sind nicht im klassischen Sinne gläubig, aber sie ringen mit religiösen Fragen. Da gibt es etwa Arya Stark. Sie sieht ihre Familienmitglieder sterben und wird selbst zur Mörderin. Der Umgang mit dem Tod begleitet sie. Jaime Lennister wiederum lädt große Schuld auf sich, lernt, damit umzugehen, und findet am Ende Erlösung.

Die Beschäftigung mit dem Glaubensweg der Hauptfiguren einer Fernsehserie ist für Dietz kein Selbstzweck. Er geht davon aus, dass die religiösen Vorstellungen der Menschen heute nicht mehr von eigenem Erleben geprägt werden, sondern vor allem von dem Bild von Religion, das die Medien verbreiten. In „Game of Thrones“ zeigen sich die großen Fragen, die Heldinnen und Helden anderer Fernsehserien – und mit ihnen wohl ein Großteil ihrer Zuschauer – nicht mehr zu stellen wagen: Was ist der Sinn des Lebens? Was kommt nach dem Tod? Was geschieht mit der Schuld eines Menschen? Welche Hoffnung, welche Vision hat die Welt? Und hier finden die Figuren der Serie Antworten, die sich in der realen Welt durchaus auch bewähren können.

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