Die Corona-Krise wäre eine Chance gewesen, dass sich die Kirchen wieder den Kernfragen der Existenz und des Glaubens stellen. Zwar sei in vielen Predigten das Gottvertrauen beschworen worden, so die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff im Deutschlandfunk. Doch was Tod oder ein Leben nach dem Tod bedeuten, werde kaum thematisiert. „Die verstehen ja vom Tod eigentlich gar nichts mehr. Die sind ja so aufs Diesseits fixiert“, sagte sie über die Kirchen beziehungsweise die geistlichen Leitungsämter. „Im Grunde hat sich eine areligiöse Gesellschaft in den Kirchen breitgemacht, weil sie vom Jenseits überhaupt keine Vorstellung mehr haben.“
Das betreffe auch ein weiteres Feld: „Von Sünde redet doch kein Mensch mehr. Also im Sinne davon, dass es schwerste Verfehlungen gibt. Und ausgerechnet nach den Katastrophen im zwanzigsten Jahrhundert und den Naziverbrechen nicht mehr wirklich den Begriff Sünde zu kennen und Todsünde nicht mehr zu kennen, das geht mir wirklich auf die Nerven.“ Die christliche Religion habe jede Form von Schärfe eingebüßt. „Ich sage ja nicht, dass man ein Drohgewitter wie damals Abraham a Sancta Clara auf die Gemeinde loslässt. Das ist vielleicht auch von Übel. Wir würden ja heute einen Menschen, der fremdgeht, jetzt nicht mehr gleich in die Hölle schicken wollen.“ Aber man müsse eben neue Begriffe für Verfehlungen finden.