Wir sind die Guten. Die Bösen – das sind die anderen. Dieses psychologische Gesetz gilt immer, unabhängig von den Tatsachen. In anderen Worten heißt das Unschuldswahn. So hat zuletzt wieder eine Welle von Denkmalstürzen die westliche Welt überrollt, ausgelöst von der Tötung eines Afroamerikaners durch Polizeigewalt. In den USA wurden Kriegsherren der konföderierten Südstaatenarmee vom Sockel geholt, die im traumatischen Sezessions-Bürgerkrieg für die Bewahrung der Sklaverei kämpften. In Kalifornien überlebte ein Indianermissionar den Zorn von Aktivisten nicht, weil er zum Symbol christlicher Zwangsbekehrung und Kolonialisierung stilisiert wurde. Auch Christoph Kolumbus, einst als „Entdecker“ Amerikas verehrt, ist plötzlich die Wurzel allen Übels der Neuen Welt. In Baden trifft es einen berühmten Volksschriftsteller, Priester und Pädagogen namens Alban Stolz, weil er unter anderem antijüdische Texte verfasst hat. Ein nach ihm benanntes Studentenwohnheim ist „umgetauft“, das Freiburger Erzbistum möchte sein Denkmal vor dem Priesterseminar entfernen lassen. Müsste man jetzt nicht auch den hoch erhaben präsentierten Antisemiten Luther zum Einsturz bringen?
Säuberungen solcher Art haben Gründe. So mussten schon Stalin, Lenin, Marx, Mao, Ceausescu oder Saddam Hussein fallen. Alle derartige Aktionen hinterlassen jedoch einen Beigeschmack. Sie wecken den Eindruck, als habe man sich so der eigenen (Unheils-)Geschichte, der Irrungen der Ahnen entledigt, als brauche man die gefährliche Erinnerung als Stachel im Fleisch der Selbstrechtfertigung und Selbstbeweihräucherung nicht. Doch Vergangenheit lässt sich nicht zur Vergangenheit entsorgen. Sie schleicht nach. Weil die Welt nicht schwarz oder weiß, gut oder böse ist, sondern Helles und Schattiges stets grau in grau vermischt.
Ein Denkmal allerdings gibt es, das tatsächlich für einen völlig unschuldig Leidenden steht und zugleich das Symbol einer echten, endgültigen, allein von Gott kommenden Erlösung von Sünde und Tod ist: das Kreuz des Gottesknechts Jesus Christus. Es ist das Anti-Denkmal schlechthin, anstößig seit eh und je, Marterpfahl und Siegeszeichen zugleich, Hoffnungszeichen für Auferstehung und ewiges Leben. Auch dieses Denkmal möchten nicht wenige aus der öffentlichen Anschauung entfernen lassen, weil sie es nicht ertragen – diese Provokation jeder Selbstgerechtigkeit. Das Kreuz ist das Störzeichen schlechthin wider den Säuberungswahn, wider die Dauer-Versuchung zur Verdrängung der eigenen Sündhaftigkeit, die auf Befreiung und Barmherzigkeit transzendenter Art angewiesen bleibt. Ja, es ist ein Kreuz mit dem Kreuz – gegen Realitätsflucht, gegen Seinsvergessenheit, gegen fromme Lügen, für Realitätssinn und Wahrheit. Also: Denk mal!