Für uns Mönche ist der Rückzug in die Klausur eine bewusst gewählte spirituelle Herausforderung. Wenn ich in der Zelle bleibe und mich selber aushalte, dann werde ich mit meiner eigenen Wahrheit konfrontiert. Und zugleich kann ich die spirituelle Erfahrung machen, dass die Stille und das Alleinsein mich für eine wesentliche Erfahrung öffnen. Die Mönche im Mittelalter sprechen sogar davon, ihre Zelle sei zum Himmel geworden – „Cella est coelum“ –, weil sie in ihr mit Gott allein sein dürfen. Die Stille kann also zum Ort werden, an dem ich aufgebrochen werde für ein Geheimnis, das mich übersteigt. Und wenn ich diese spirituelle Erfahrung mache, dann ordnen sich auch meine irdischen Bedürfnisse, dann werde ich nicht mehr von der Gier nach immer mehr beherrscht. Ich finde in mir Frieden. Und aus diesem Frieden heraus werde ich auch friedlich umgehen mit den Mitmenschen und mit der Umwelt.
Anselm Grün in: „Was gutes Leben ist. Orientierung in herausfordernden Zeiten“ (Verlag Herder, Freiburg 2020)