Als „durch und durch klerikales Papier“ hat der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller das neue Dokument der vatikanischen Kleruskongregation bezeichnet. „Das Papier beantwortet Fragen von heute mit Antworten von gestern“, sagte er. Es werde in dem Text rein vom Priester her gedacht. An der tatsächlichen Lage der Bistümer und des kirchlichen Lebens in Deutschland gehe das Papier vorbei.
Das zuvor nicht angekündigte Schreiben trägt den Titel „Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“. Als Anlass nennt der Vatikan die Strukturreformen, die „wegen tiefgehender sozialer und kultureller Veränderungen in nicht wenigen Diözesen vorbereitet werden oder durchgeführt worden sind“. Diesen Umstrukturierungen setzt das Dokument nun enge Grenzen. Insbesondere die Rolle des Pfarrers wird als zentral herausgestellt; sie dürfe nicht relativiert werden. Allen Bestrebungen etwa, die Pfarrleitung einem Team aus Priestern und Laien anzuvertrauen, widerspricht die Instruktion deutlich. Laien dürfen „auch nicht im Falle des Priestermangels“ Titel oder Funktionen eines Pfarrers annehmen. Ebenso erinnert der Vatikan daran, dass es Nicht-Priestern verboten ist, in Messfeiern zu predigen. Die Instruktion dringt sogar darauf, dass selbst Bezeichnungen für Aufgaben, die Laien ausüben, nicht den „wesentlichen Unterschied“ zu Priestern „verdunkeln“.
Das Dokument, das Papst Franziskus gebilligt hat, erscheint in einer Zeit, da in etlichen Bistümern Überlegungen zu neuen Pastoralräumen angestellt werden. Meistens spielen dabei Leitungsbefugnisse für Laien eine Schlüsselrolle. Einige Diözesen haben auch Modellprojekte gestartet, um neue Formen von Leitung, Seelsorge und Gemeinschaft zu testen. Diese diözesanen Initiativen bremst Rom nun erst einmal aus, wie Ende letzten Jahres bereits für das Bistum Trier direkt. Der Präfekt der Kongregation für den Klerus, Kardinal Beniamino Stella, betonte im Interview mit „Vatican News“, Strukturreformen dürften „nicht nur nach dem eigenen Geschmack gemacht werden – ich würde fast sagen, aus einer Laune der Verantwortlichen und ihrer Experten heraus“.
Die deutschen Bischöfe wurden von dem Text offenbar überrascht. Es gelte, die Instruktion sorgfältig zu studieren und beim nächsten Treffen der Diözesanbischöfe zu erörtern, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp.
Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ bezeichnete das Dokument als „ungeheuerlichen Versuch Roms, die Kirche wieder vorkonziliar zu machen“ und dringend anstehende Pastoralreformen auszubremsen.
Auch der Tübinger Theologe Albert Biesinger kritisierte das vatikanische Dokument scharf. Es sei ein „Beitrag zur Selbstzerstörung“ der Kirche. Den Verfassern empfahl Biesinger, „zuerst fünf Jahre eine deutsche Großraumpfarrei zu leiten und fünf Jahre am Amazonas zu arbeiten, bevor sie sich zu Seelsorgefragen äußern“. Zudem nannte er es „arrogant, ohne vorherige breite Konsultationen mit den Bischofskonferenzen weltweit über Perspektiven der Gemeindeentwicklung Vorgaben machen zu wollen“.