Fisch, Obst oder Blumen – auf dem traditionsreichen Hamburger Fischmarkt wird fast alles gehandelt und gekauft. Bananen fliegen durch die Luft, Plastiktüten voller Wurst wechseln für einen Spottpreis den Besitzer, Aale-Dieter brüllt sich die Seele aus dem Leib… Die Schnäppchenjagd gehört seit über 300 Jahren zu den Top-Events, die die Freie und Hansestadt Hamburg für ihre Bürger und die Gäste bereithält. Die berühmten Hamburger Marktschreier haben ihr Geschäft zu einer Kunstform gemacht. Da wird die Kundschaft zum Publikum, das sie mit lässigen Sprüchen anlocken. Als Köder dient das altbewährte Prinzip von Mengenrabatt und Ausverkauf.
Machen die Verkünderinnen und Verkünder des Evangeliums es heute genauso? Wird die Botschaft Jesu den Menschen hinterhergeschmissen wie eine Honigmelone kurz vor dem Verfallsdatum? Wie gehen die Kirchen mit ihrer im Frühjahr dieses Jahres ruchbar gewordenen, angeblich fehlenden Systemrelevanz um? Was halten sie der vielfach zu beklagenden mangelnden Nachfrage entgegen? Gesenkte Preise? Wird Gottes Wort billig verramscht? Werden den sinnhungrigen Menschen also harmlose Geschichtchen angeboten, spirituelle Wellnessprogramme und eine weichgespülte Spielplatzmoral?
Einen anderen Weg weist das Matthäusevangelium (13,44–52). Dort ist die Rede davon, dass die Botschaft Jesu vergleichbar ist mit einem ungemein kostbaren Schatz. Einem, der so wertvoll ist, dass einer bereit ist, seinen ganzen Besitz aufzugeben – nur, um diesen einen Schatz zu gewinnen. Das muss man sich mal vorstellen: Da hat ein Mensch erkannt, wie kostbar die Herrschaft Gottes ist, und wirft alles Bisherige über Bord, um sich ihr mit Haut und Haar zu verschreiben. Da hat ein Mensch erkannt, wie reich ihn die Sache Gottes macht – so überreich, dass er stante pede bereit ist, alles andere, was ihm bis jetzt kostbar und wichtig erschien, für diese eine Sache zweitrangig werden zu lassen.
Das ist er, der Anspruch des Evangeliums: Du kannst nicht nur ein bisschen gläubig sein! Du kannst kein Halbstundenchrist sein, kein Schmalspur-Gläubiger. Jesus will nicht nur deinen kleinen Finger – er will immer, immer deine ganze Hand. Hier gibt es keine Schnäppchen! Das ist die erste Quintessenz dieses Gleichnisses vom Schatz im Acker. Damit lässt es uns nicht in Ruhe. Immer will es uns je neu motivieren, alles auf die Karte von Glaube, Hoffnung und Liebe zu setzen.
Aber das Evangelium wäre nicht Evangelium, wenn es nur einen Anspruch formulieren würde. Es gibt auch einen Zuspruch. Und der begründet den Anspruch erst. Er erschließt sich, wenn man das Gleichnis vom Schatz im Acker ein wenig gegen den Strich bürstet. Es wird ja für gewöhnlich so gehört und gelesen, dass es fragen will, wieviel ein Glaubender denn eigentlich bereit ist, für Gott und die Sache des Evangeliums zu investieren. Und das ist auch nicht falsch. Trotzdem gibt es noch eine andere Deutung vom Schatz im Acker, die mich – als ich sie das erste Mal hörte und seitdem immer wieder – anrührt und geradezu elektrisiert. Man kann das Gleichnis noch einmal ganz anders verstehen. Der unglaublich kostbare Schatz im Acker, diese wertvolle Perle, die gefunden wird: Das ist der Mensch. Und der, der alles, wirklich alles gibt, um den Menschen zu gewinnen, das ist Gott. Will heißen: Du Mensch! An dir ist Gott ganz leidenschaftlich interessiert. So groß ist seine Liebe zu dir, dass Er bereit ist, alles zu geben, um dich zu gewinnen. Im Johannesevangelium heißt es deshalb an einer Stelle: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er bereit war, seinen einzigen Sohn zu geben – damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat“ (3,16). Was, wenn nicht das, ist wortgewordenes Höchstpreisniveau?