Götze KapitalismusDen Geld-Gott entmachten

Geld regiert die Welt? Was der moderne Kapitalismus von den Geboten des Alten Testaments lernen kann – und warum Münzen und Scheine immer nur Mittel zum Zweck sein können.

Viele Menschen spüren es intuitiv: Die übertriebene Beschäftigung mit Geld, ob als Geiz oder Gewinnsucht, passt nicht zu jemandem, der sich als religiös bezeichnet. Man sagt dann, sein Glaube sei unecht, ja heuchlerisch. Kirchliche PR-Strategen wissen: Debatten über Kirchenvermögen oder Mitarbeitergehälter gehören grundsätzlich zu den pikanten Themen, selbst wenn transparent und nachhaltig gewirtschaftet wird. Bisweilen heißt es sogar, nur eine völlig arme Kirche könne glaubwürdig von Jesus sprechen. „Gott und Mammon“ – das scheint eine Entweder-oder-Alternative zu sein. In ihrem gleichnamigen Buch folgt Andrea Nickel-Schwäbisch dieser Spur.

Einleitend zeichnet die evangelische Theologin nach, inwiefern Geld tatsächlich eine spirituelle und somit tendenziell götzenhafte Seite hat. Es ist ja so: Eine Münze, ein Schein an sich sind nicht wertvoll. Erst die gläubige Gewissheit, sein Geld überall gegen Sachwerte und Dienstleistungen eintauschen zu können, macht aus dem Stück Kupfer, dem Blatt Papier etwas Wertvolles. „Geld ist somit ein Schuldschein mit einem abstrakten Wert, der weitergegeben werden kann. Damit ist es kein Warenaustausch, sondern eine soziale Technologie“, analysiert die Autorin. Da in einer kapitalistischen Gesellschaft potenziell alles (ver-)kaufbar ist, erscheine Geld folgerichtig als universaler Vermittler, als „Weltformel“. Von seiner lebensdienlichen Verwendung sei es dann nur ein kleiner Schritt zum vertrauenden Glauben an seine existenzielle Wirkmächtigkeit. Damit aber werde „nicht nur Gott entmachtet, sondern auch der Mensch, indem seine Würde zum Wert verfällt“.

Ungestillter Hunger

Im Folgenden skizziert Andrea Nickel-Schwäbisch in dreizehn Abschnitten ein biblisch inspiriertes Verhältnis zum Geld. Kurze Schrifttexte dienen als Ausgangspunkt für ihre Reflexionen. So diskutiert die Autorin anhand der Begehrensverbote im Dekalog („Du sollst nicht das Haus deines Nächsten begehren…“, Ex 20,17) die ökonomische Theorie des abnehmenden Grenznutzens. Damit wird – vereinfacht – ausgesagt, dass menschliche Bedürfnisse durch Konsum befriedigt werden. Das stimme für den Menschen zwar unter anderem beim physischen Hunger, „aber der Hunger nach Gütern, die seine gesellschaftliche Rangordnung begründen, kann trotzdem ungestillt bleiben“.

Das Haus des Nächsten

Der Kreislauf aus Gier, geldbedingtem Konsum und sich bald einstellender neuer Unzufriedenheit entstehe, mit dem neunten Gebot gesprochen, „weil man dem Nächsten sein Haus nicht gönnt“. Viele Arten der „Sättigung“ verflüchtigen sich rasch – entweder durch den Blick auf den Mitmenschen, dem es noch besser geht, oder durch Gewöhnung an das neu errungene Gut. Das alttestamentliche Verbot des Begehrens ziele also darauf ab, das eigene Glück nicht mehr ständig mit anderen zu vergleichen, weil einen dies gleichermaßen unglücklich und begierig zurücklässt. Also auch hier gilt: Biblische Verbote sind nicht Ausdruck einer lebensfeindlichen Askese, sondern sie wollen so etwas wie das „gute Leben“ möglich machen. Positiv formuliert hieße das beim vorliegenden Beispiel: „Begehre glücklich und zufrieden zu leben, indem du mit den Basisgütern des Lebens achtsam umgehst.“ So kann Geld nicht mehr zur alles bestimmenden Wirklichkeit werden; es bleibt Mittel zum Zweck.

Es ist die Mischung aus ökonomischem Sachverstand, theologischer Expertise und spirituellen Einsichten, die den Band zu einer anregenden Lektüre macht. Das Buch veranschaulicht überdies, wie Theologie in einen bereichernden interdisziplinären Austausch gebracht werden kann. Die Autorin lehrt an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Die kurzen Kapitel gingen aus einem dort gehaltenen Seminar hervor, sind aber ohne Vorkenntnisse verständlich.

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Nickel-Schwäbisch, Andrea

Gott und MammonBiblische Perspektiven zum Umgang mit Geld

Neukirchener Verlagsgesellschaft, Neukirchen-Vluyen 2019, 175 S., 19 €

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