Die neue Instruktion der KleruskongregationLieber keinen als einen „Laien“?

Die Instruktion der Kleruskongregation treibt einen Keil zwischen Priester und Gemeinde. Dass sich Bischöfe jetzt um Schadensbegrenzung bemühen, reicht nicht aus. Vielmehr ist grundsätzlich zu klären, wie das allgemeine und das besondere Priestertum im katholischen Sinn zueinander stehen.

Der Anfang lässt sich wirklich gut lesen. Da ist in dem vatikanischen Dokument von „Einladung“ und „Enthusiasmus“ die Rede, von einem „neuen Stil der Zusammenarbeit“. Die Kirche müsse eine „lebendige Gemeinschaft“ sein, konsequent auf die missionarische Sendung ausgerichtet, auf Evangelisierung. Die „Impulse der Zeit“ müssten aufgenommen werden, heißt es, das Antlitz der Kirche „verjüngt“.

Auch an der Analyse der gesellschaftlichen Situation ist wenig auszusetzen. Es stimmt ja: Die Menschen sind mobiler geworden, die Bindekräfte „an einen Ort“ lassen nach, gerade auch wegen der neuen Medien, die zugleich doch auch etliche Leute einsam machen. Und wie darauf reagieren? Seelsorge, die sich wie eh und je hauptsächlich innerhalb fester territorialer Räume abspielt, wird als „überholt“ bezeichnet. Gewarnt wird ebenso vor einer „exzessiven Bürokratie und Servicementalität“, genauso vor „pastoraler Monotonie“, also einer „bloßen Wiederholung von Aktivitäten, die das Leben der Menschen nicht berühren“. Das ist in der Tat ein wunder Punkt, ein notwendiger Stachel im Fleisch.

Eine neue Dynamik soll her. Und zwar gespeist aus einer „Mentalitätsänderung und einer inneren Erneuerung“. Richtig. Und dann wird auch noch Papst Franziskus zitiert: Wir sollten weniger Angst haben, einen Fehler zu begehen. Eher müsse uns die Furcht bewegen, „uns einzuschließen in die Strukturen, die uns einen trügerischen Schutz gewähren, in die Normen, die uns in unnachsichtige Richter verwandeln, in die Gewohnheiten…“ Mutig nach vorn also, lautet bis dahin das Motto! Wenn man die ersten zehn Seiten dieses Schreibens gelesen hat, will man eigentlich sofort losziehen und zusammen mit anderen neue Ideen spinnen, wie man den Glauben heute „unters Volk“ bringen kann. Die Freude des Evangeliums!

Doch leider hat das Papier nicht nur zehn, sondern mehr als dreißig Seiten. Und die restlichen sind dann alles andere als geistvoll-motivierend. „Instruktion“ steht über dem Dokument, also Ausführungsbestimmung. Und diesem Namen wird es im zweiten Teil nur allzu gerecht. Es werden Weisungen erteilt, Regeln aufgestellt oder zumindest an bestehendes Recht erinnert. Der Ton ist komplett anders als zu Beginn: spröde, kompromisslos, mahnend, belehrend. Beispiel gefällig? Punkt 49 etwa lautet: „Bezüglich der Errichtung und der Aufhebung von Pfarreien ist daran zu erinnern, dass jede Entscheidung durch ein formales, schriftlich ausgefertigtes Dekret getroffen werden muss. Folglich entspricht eine singuläre Maßnahme, die auf der Basis eines einzigen Rechtsaktes, allgemeinen Dekretes oder diözesanen Gesetzes auf eine Neuordnung allgemeiner Art hinsichtlich der ganzen Diözese, eines ihrer Teile oder mehrerer Pfarreien abzielt, nicht dem kanonischen Recht.“

Auf den Priester fokussiert

Vor allem aber inhaltlich besteht ein Missverhältnis zwischen den beiden Teilen des Dokuments. So wird auf Seite 9 noch ausgeführt, wie notwendig es ist, eine „Klerikalisierung der Pastoral“ zu überwinden. Der Klerus „bewirkt…nicht allein die vom Heiligen Geist angeregte Veränderung“. Es seien solche Vorgehensweisen und Modelle zu fördern, „durch die alle Getauften…sich aktiv…einbringen“ können. Ab Seite 15 hört es sich dann ganz anders an. Da steht dann immer wieder: „Nur der Pfarrer…“. Oder: „…muss die Priesterweihe empfangen haben…“. Oder: „Ausschließlich ihm kommen die Vollmacht und die Funktionen…zu.“

Allein schon solche unübersehbaren Brüche lassen einen irritiert zurück. Dass ein Dokument der Kleruskongregation vor allem die Geweihten in den Blick nimmt, ist ja klar. Aber wie ernst kann man dann die wertschätzenden Aussagen auf den ersten Seiten überhaupt nehmen? Sind sie nur Sonntagsrede, die – sobald es konkret wird – einkassiert wird, nichts mehr gilt? Diese Frage muss sich auch an den Papst richten, der bekanntlich bei jeder Gelegenheit gegen Klerikalismus wettert. So sagte er einmal bei einer seiner „fliegenden Pressekonferenzen“: „Bloß kein Klerikalismus, denn der Klerikalismus treibt von den Menschen fort… Das ist eine Pest in der Kirche.“ Wie kann Franziskus I. dann aber ein solches Dokument billigen, das die hierarchische kirchliche Ständelehre derart zementiert? Anders gefragt: Müssten den warmen Worten nicht irgendwann auch Taten folgen, Veränderungen im Kirchenrecht, in der Kirchenverfassung?

Nach der Lektüre dieses Textes scheint jedoch noch die zarteste Weiterentwicklung ausgeschlossen. Alles wird auf den Priester fokussiert. Nur er kann Pfarrer sein, mehr als „Mitwirken“ ist für Laien nicht drin. Um das zu gewährleisten, beschäftigen sich die Kurienmitarbeiter sogar mit einzelnen Formulierungen („Ko-Pfarrer“, „Moderator“ oder gar „Pfarrverantwortlicher“ sollen Laien nicht heißen). Falls es irgendwo – nur im Einzelfall und nur bei Letztverantwortung des Priesters – so etwas wie gemeinsame Leitung geben sollte, dann bitte nicht von „Leitungsteam“ sprechen. Alles muss vermieden werden, was „eine kollegiale Leitung der Pfarrei zum Ausdruck bringen“ könnte. Bis ins Letzte werden die Trennlinien geschärft beziehungsweise bestehende Abgrenzungen in Erinnerung gerufen, etwa was die Predigt in der Eucharistiefeier angeht. „Auf keinen Fall“ darf sie von Laien gehalten werden.

Droht etwa liturgisches Chaos?

Gerade auch die Vehemenz mancher Formulierungen in diesem Schreiben lässt aufhorchen. Welch große Angst, welche Verunsicherung, ja welche Gereiztheit spiegelt sich in einer solchen Schärfe wider! Um beim letztgenannten Punkt anzuknüpfen: Was wird dem Priester denn weggenommen, wenn ab und zu einer oder eine der vielen theologisch bestens ausgebildeten Laien predigt? Haben die Verantwortlichen in der Kleruskongregation nur das Zerrbild liturgischer Chaostage vor Augen, wenn jemand anders als der geweihte Priester die Bibel auslegt? Und was das Thema „Gemeindeleitung“ angeht: Braucht es wirklich die Weihevollmacht, um sich um einen Ziegel zu kümmern, der vom Kirchendach gefallen ist? Anscheinend schon, warum sonst wird jedes Nachdenken in Richtung gemeinschaftlicher Leitung direkt als Angriff gewertet. Eifersüchtig wird darauf geachtet, dass Besitzstände – „Macht“ – erhalten bleiben.

Pfarr-herrlich war früher

Wobei, daran muss erinnert werden, diese Haltung herrscht höchstens noch in konservativen Reservaten wie der Kleruskongregation vor. Anderswo gibt es unzählige Priester, die eben gerade nicht mehr als Alleinherrscher, als einsame Entscheider auftreten wollen, sondern die sich bewusst als Teamplayer verstehen. Die wissen, was sie an gleichberechtigten Mitchristen haben. Deshalb war auch das Echo hierzulande auf das unangekündigte vatikanische Dokument eher ablehnend. Während die Bischofskonferenz wie vom Donner gerührt schien und sich gar nicht äußerte, meldeten sich nach und nach einzelne Bischöfe mit teils deutlicher Kritik zu Wort. So reagierte etwa der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, ungewohnt öffentlich verschnupft: „Es ist schon etwas merkwürdig, wenn ein Dokument von Rom kommt, ohne dass jemals mit uns darüber gesprochen wurde. Ist das ein Miteinander von Universal- und Teilkirche, wie man sich das wünscht? Eigentlich nicht.“ Vom Vorwurf einer gewissen Arroganz kann man die Autoren des Schreibens jedenfalls nicht freisprechen.

Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, begrüßte die „wertvollen Anregungen“ der Instruktion. Der Augsburger Bischof Bertram Meier erklärte, er könne mit den römischen Vorgaben „gut leben“. Bei anderen war zumindest Ratlosigkeit angesichts der Realitätsferne des Schreibens zu spüren. Selbst wenn sie alles beherzigen wollten, was das römische Schreiben verlangt: Wie sollen die Verantwortlichen die römische Instruktion umsetzen angesichts des fehlenden geistlichen Personals?

Und selbst wenn es plötzlich genügend Priester für all die pfarr-herrlichen Aufgaben gäbe, wäre das Ideal einer synodalen Kirche damit doch nicht falsch. Auch diese Überzeugung scheint bei vielen Rückmeldungen durch. Einer der profiliertesten Beiträge kam wieder einmal vom Magdeburger Bischof Gerhard Feige, der die Gläubigen aufrief, sich durch das vatikanische Papier nicht entmutigen zu lassen. Zugleich versicherte er, sich selber von den „restriktiven Anordnungen…nicht lähmen und blockieren“ zu lassen. Es helfe „kein bisschen weiter, nur hehre Prinzipien heraufzubeschwören und auf kirchenrechtliche Vorgaben zu verweisen“. Entscheidend sei, „dass möglichst viele Getaufte und Gefirmte begreifen, eine eigene Berufung zu haben und gemeinsam Kirche zu sein.“

Sorge vor Verdunkelung

Wie geht es weiter? Anders als die Kurienmitarbeiter in Rom müssen die Bischöfe vor Ort konkret Kirche und Seelsorge gestalten. Die meisten geben an, den eingeschlagenen Weg der Strukturveränderungen fortsetzen zu wollen, zu müssen. Dazu gehört auch die Leitung durch Teams mit ehren- beziehungsweise hauptamtlichen Laien, wie sie mancherorts geplant beziehungsweise in Erprobung ist. Es geht gar nicht anders, und es bleibt ja auch von der Sache her richtig.

Der Vorgang zeigt aber auch, dass dringend weiter beziehungsweise neu über das Priesteramt und die Zuordnung der Dienste zueinander gesprochen werden muss, etwa beim „synodalen Weg“. Doch noch scheint es in Teilen der Kirche(nleitung) eine geradezu panische Angst davor zu geben, dieses „Fass“ aufzumachen. Beschwörend heißt es in der Instruktion: Der „wesentliche Unterschied zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Priestertum“ dürfe nicht „verdunkelt“ werden. Verdunkelt! Als ob es gleich finster würde, wenn sich die Kirche stärker auf das gemeinsame Priestertum besinnt. Als ob durch mehr Synodalität, durch mehr Gemeinsamkeit, sofort die Auflösung der sakramentalen Struktur der Kirche drohe! Aber es will doch niemand das Priestertum abschaffen. Dieser Vorwurf ist unausgesprochen oder gar ausgesprochen immer dabei, wenn konservative Kreise jetzt Kritik an der Instruktion verächtlich machen.

Noch gibt es viele Gläubige, die gern katholisch sein wollen. Dennoch leuchtet ihnen partout nicht ein, warum Antworten von gestern das Richtige für die Zukunftsfragen der Kirche sein sollen.

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