Das Projekt ist vor allem unter Nicht-Hindus umstritten, es wird von Muslimen scharf abgelehnt. Das hat den indischen Premierminister Narendra Modi nicht daran gehindert, die Grundsteinlegung zum Bau des Rama-Tempels in Ayodhya im mehrheitlich islamischen Kaschmir als Machtdemonstration über Indiens Minderheitsreligionen zu inszenieren. Der Gott Rama sei das „moderne Symbol unserer nationalistischen Gefühle“, sagte Modi laut „Times of India“. „Trotz der Versuche, die Existenz des Gottes Rama auszulöschen, lebt er in unseren Herzen fort und ist die Basis unserer Kultur.“ Nach hinduistischer Überlieferung wurde Rama vor 900000 Jahren in Ayodhya geboren. Er wird als unveränderliche Urkraft oder auch Weltenseele verehrt.
Als erster der muslimischen Mogul-Kaiser, die Nordindien bis 1858 beherrschten, hatte Babur 1528 an der Stelle eines Rama-Tempels eine Moschee errichten lassen. 1992 wurde sie von Hindu-Extremisten zerstört. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Muslimen kamen mehr als 2000 Personen ums Leben.
Vor einem Jahr schaffte Modi den Autonomie-Status Kaschmirs ab und unterstellte die Himalaya-Region direkt der indischen Zentralregierung in Neu Delhi. Um muslimische Proteste zum Jahrestag zu unterbinden, hatten die Behörden eine mehrtägige Ausgangssperre über die Region verhängt. Mit dem Bau des Rama-Tempels an der Stelle der Moschee hat Modi erneut eine zentrale Forderung der hindu-nationalistischen Kreise erfüllt, deren politischer Arm die 1980 gegründete Bharatiya Janata Party (BJP) ist, der Modi angehört. Diese „Indische Volkspartei“ ist mit mehr als hundert Millionen Mitgliedern nicht nur auf dem Subkontinent, sondern weltweit die größte überhaupt.
Viele Inder sind, schon historisch bedingt, für antimuslimische Propaganda empfänglich. „Das geht auf die jahrhundertelange Herrschaft der islamischen Mogul-Kaiser in Nordindien zurück“, erklärte Alphons Kannanthanam, Katholik und seit 2011 Mitglied der BJP. Er war in der ersten Amtszeit Modis Tourismusminister und ist gegenwärtig Abgeordneter des Oberhauses im indischen Parlament. Berichte über Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheitsreligionen weist Kannanthanam beschwichtigend als Propaganda der Opposition zurück. Wenn es mal Ausschreitungen von Hindus gegen Angehörige anderer Religionen gebe, seien das lokal vereinzelte Fälle. Modi selbst habe sich immer für ein friedliches Miteinander der Religionen eingesetzt.
Kritik an der hindu-nationalistischen Politik der BJP ist gefährlich, wie die säkulare, einst übermächtige Kongress-Partei des Gandhi-Clans in den vergangenen Jahren bei einer Serie herber Wahlniederlagen erleben musste. Die Verunglimpfung der Kongress-Partei als „Feind der Hindus“ durch die BJP-Propagandamaschine zeigt auch jetzt Wirkung. Die Parteigrößen Sonia Gandhi, Sohn Rahul Gandhi und Tochter Priyanka Gandhi schweigen zum Bau des Tempels.