Corona-Einschränkungen: Auf die Gefühle kommt es an

Nach Monaten der Einschränkungen stumpfen mehr und mehr Bürger ab und sehen keine Notwendigkeit mehr, sich an die Corona-Regeln zu halten, unter anderem auf Reisen, bei Partys... Kann man diese Gruppe mit sachlichen Informationen und nüchternen Statistiken erreichen? Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth bezweifelt das. „Man darf die psychisch-emotionale Schlichtheit der Denkvorgänge nicht unterbewerten“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst. „Reine Appelle an Verstand und Einsicht haben überhaupt keine Wirkung. Das ist eine hirnphysiologische Tatsache.“ So gibt es keine intensiv genutzten Verbindungen zwischen der Verstandesregion und dem Handlungszentrum des Gehirns.

Dagegen wirken Emotionen direkt auf unser Verhalten. So gab es zu Beginn der Krise sogar Personen, die das Gefühl der Verunsicherung genossen haben. Der Hirnforscher nennt sie die „Erlebnishungrigen, die gedacht haben, jetzt ist was los, das macht sogar Spaß“. Hirnbiologisch erklärt sich das Phänomen durch den Aufregungsstoff Dopamin und Belohnungsstoffe, die ausgeschüttet werden, wenn plötzlich viel auf dem Spiel steht. „Was da wo im Hirn passiert, kann man mit bildgebenden Verfahren sehr schön zeigen, zum Beispiel bei Spielsüchtigen, wenn es um den höchsten Einsatz geht“, so Roth. Aber sobald die erste Gefahr überwunden ist, fallen die Betroffenen in alte Verhaltensmuster zurück, „machen genau das Gegenteil von dem, was eigentlich gefordert ist, weil der Kick fehlt“.

Wer erreichen will, dass die Einschränkungen ernstgenommen werden, sollte die Betroffenen auch auf einer emotionalen Ebene ansprechen – im besten Fall „nicht belehrend, sondern aufmunternd, das bewirkt schon viel“. Als positives Beispiel nennt Roth Italien, das nach zahlreichen Todesfällen zu Beginn der Pandemie zu strikten Regeln gefunden hat, an die sich eine große Mehrheit solidarisch hält. „Die Italiener nehmen die Pandemie nach längerem Zögern sehr ernst und haben viel niedrigere Infektionszahlen als wir in Deutschland. Dass ein Land, dem man das nicht zugetraut hat, sich so strikt an die Regeln hält – das ist doch toll.“

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