Vom Staunen zum Glauben

Der Sternenhimmel ist endlos und keine Schneeflocke gleicht der anderen. Das Staunen über die Schöpfung führt zu Gott, sagt Norbert Scholl in seinem neuen Buch.

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und immer zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Denken mit ihnen beschäftigt: der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ Die in diesem Wort Immanuel Kants ausgedrückte Verwunderung über das unwillkürliche Staunen angesichts der Größe des Universums wie über den unbedingten Anspruch des Gewissens stellt auch Ansatz und Anliegen des Bandes von Norbert Scholl dar. Vor dem Hintergrund schwindender kirchlicher Bindung und der „verlorenen Aussagekraft“ des überkommenen Gottesbilds versucht er Staunen und Verwundern als Wege zur Frage nach Gott aufzuzeigen.

Dazu stellt er eine Reihe von Betrachtungen über Naturphänomene vor, „die Staunen und Bewunderung auslösen können“: etwa die Annahme, dass von den geschätzt eine Sextillion Schneeflocken, die seit Anbeginn der Zeit auf die Erde gefallen sind, wahrscheinlich keine wie die andere war. Oder die „Intelligenz von Pflanzen“ am Beispiel der Akazie, die sich nicht nur vor dem Gefressenwerden schützt, sondern ihre Artgenossen auch zu warnen versteht. Ergänzt werden diese Beobachtungen durch Beispiele aus der Welt des Mikro- und Makrokosmos, hier der Quantenphysik und der unvorstellbaren Größe des Kosmos und der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit deren Entstehung, die in die Frage münden: „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ Ein weiterer Schwerpunkt ist die Frage nach dem Grund des Leidens, die „in engem Zusammenhang mit der Gottesfrage steht“. Dazu werden philosophische Zugänge sowie Ergebnisse der Psychologie, Neurowissenschaften und biblischer Theologie herangezogen. Schließlich wird nach dem Menschen, dem „staunens- und verwundernswertesten Wesen“ gefragt und nach Gründen und Motiven für gesellschaftliches Engagement und selbstloses Handeln, aber auch für dessen schöpferische Kreativität gesucht.

Diesen Beobachtungen werden Aspekte der jüdisch-christlichen Überlieferung gegenübergestellt, die laut dem Autor „von Bedeutung für das heutige Gottesbild sein könnten“. Dazu zählen die Selbstoffenbarung JHWHs in Ex 3,14 als der „Ich-bin-da“, in der zugleich dessen Unbegreiflichkeit wie Geschichtsmächtigkeit manifest wird, oder der „humanitäre Impetus, den Jesus durch das Zeugnis seines Lebens, seines Wirkens und seines Todes gegeben hat“. Das von Scholl zusammengetragene Sammelsurium an philosophischen, naturwissenschaftlichen und theologischen Beobachtungen bietet eine Fülle an Ansätzen, um die Frage nach Gott zur Sprache zu bringen. Dass das Vorgestellte häufig „skizzenhaft und fragmentarisch“ bleibt, bemerkt Scholl am Ende selbst.

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