Ein Teil der deutschen Islamverbände fördert nicht die Integration von Muslimen, sondern befürwortet einen politischen Islam und „die Verfestigung einer möglichst Scharia-getreuen Religionsausübung.“ Das beobachtet der Jesuit Christian Troll, der für sein Engagement im christlich-islamischen Dialog soeben das Bundesverdienstkreuz erhalten hat. Die meisten Muslime in Deutschland fühlten sich von den Verbänden allerdings nicht vertreten. Der Staat müsse es dieser Mehrheit ermöglichen, ihren Glauben zu leben. Er dürfe dabei nicht „in die Falle der Verbände tappen, indem er sich ihrem Alleinvertretungsanspruch beugt“.
Gleichzeitig erlebe der Islam derzeit den wohl größten Umbruch seiner Geschichte. Es gebe „unter Theologen und Intellektuellen etliche, die den Koran neu interpretieren wollen. Sie fordern die Trennung von Religion und Staat und suchen nach Wegen, um ihre Religion mit Menschenrechten, Pluralismus und religiöser Toleranz zu vereinbaren.“ Die religiösen Reformversuche seien aber ein „schmerzhafter Prozess voller Widerstände und Abschottungsreflexe“. In islamischen Ländern gebe es auch heute die „Option für politische Machtausübung im Namen des Islam.“ Allerdings verkörpere die pseudo-osmanische Politik des türkischen Präsidenten Erdoğan „weniger das Denken und Fühlen der Mehrheit der heutigen Muslime“. Erdoğan hat dieses Jahr zwei herausragende christliche Kirchen in Moscheen umwandeln lassen, ungeachtet international harscher Kritik.
Wichtig für den christlich-islamischen Dialog ist laut Troll, dass Muslime echtes Interesse am christlichen Glauben zeigen. Oft werde dieser verkürzt wahrgenommen: „Ihr Wissen über den christlichen Glauben beschränkt sich häufig auf die Vorstellung, die Christen beteten mit Jesus einen Menschen neben Gott an.“