Liebende geben einander spielerisch immer neue Namen. Um diese Art des Benennens geht es auch bei Gottesnamen. Darum gewinnen sie auch ihren vollen Klang erst dann, wenn wir ihnen ein „Du“ voranstellen. Also eigentlich nicht „der Erbarmende“, sondern „du Erbarmender, du erbarmst dich meiner“; nicht „der Hörende“, sondern „du Hörender, du hörst mich“. Auch in diesem Fall: „Du grundloser Grund allen Seins, in dir ist mein eigenes Dasein unendlich tief begründet.“
Damit wenden wir uns an das große Geheimnis, unser Ur-Du, in der Ahnung, dass dieses Du das Sein selbst unendlich überragt, weil es weder Sein hat, noch das Sein ist, sondern weil wir hier von der Quelle des Seins trinken. Dabei handelt es sich – und das ist ausschlaggebend – um ein Erlebnis, das Worte und Namen erst nachträglich zu interpretieren versucht.
David Steindl-Rast in: „99 Namen Gottes“ (Tyrolia Verlag, Innsbruck 2019)