Wenn es nicht mehr darum geht, sich selbst zu erhalten – wenn das Interesse überhaupt nicht mehr darin besteht, ein System zu erhalten, eine Struktur, eine Gestalt, weil es darum nie gehen kann, dann stellen sich ja dennoch Fragen. Kann man eigentlich sinnvoll (und wenn ja: wie) über Hierarchie und Ämterstrukturen sprechen? Welche Strukturen sind wesentlich? Und könnte es gelingen, solche Grundstrukturen loszulösen von den Bildern, die sich scheinbar unlöslich mit diesen Grundbegriffen verbunden haben?
Denn das Bild der letzten Jahrhunderte (vielleicht seit Konstantin, vielleicht seit dem Sündenfall) belastet extrem. Und das umso mehr, als es immer noch alltägliches Lebensgefühl ist: Es geht um Macht, es geht um oben-unten; es geht um Profis und Laien, es geht um Hirt und Herde, es geht um Hierarchien, die unhinterfragbar sind.
Aber die Vision ist ja eine andere. Das Evangelium eröffnet einen Raum der Gleichwürdigkeit, das Reich Gottes verheißt Gerechtigkeit, Freude und Frieden im Heiligen Geist. Und Jesus Christus selbst ist sehr sensibel für Machtstrukturen, die sich schon bei den Aposteln einschlichen: „Bei euch soll es nicht so sein.“
Christian Hennecke in: „Lust auf morgen! Christsein und Kirche in die Zukunft denken“ (Aschendorff Verlag, Münster 2020)