Viele Katholiken verbinden mit der sogenannten tridentinischen Liturgie, die im Grunde erst 450 Jahre „alt“ beziehungsweise „jung“ ist, vor allem das Bild vom Priester, der „mit dem Rücken zum Volk“ die Eucharistie feiert. Vom Hochaltar wandte er sich zwischendurch nur ab, etwa um die Predigt zu halten oder die Kommunion zu spenden. So war es vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil üblich.
Allerdings hat das Konzil nicht ausdrücklich gefordert, dass der Priester die Eucharistie an einem freistehenden Altar mit Blick ins Kirchenschiff feiern soll, wie es in beinahe allen Gemeinden heutzutage üblich ist. Noch immer gehen viele Anweisungen zum Gottesdienstverlauf sogar davon aus, dass der Priester die Gemeinde nicht anschaut. Das ist zum Beispiel daran zu erkennen, dass auch im aktuellen deutschen Messbuch die Anweisung für den Priester steht, er möge den Friedensgruß –„Der Friede des Herrn sei allezeit mit euch“ – „der Gemeinde zugewandt“ sprechen. Es wird also zumindest als möglich angesehen, dass er vorher die Gebete über Brot und Wein sowie das Vaterunser „mit dem Rücken zum Volk“ gesprochen hat.
Genau diese Feierform schlägt der Jesuit Dominik Terstriep in den „Stimmen der Zeit“ nun vor, um auf eine von ihm so beobachtete „Gotteskrise“ zu reagieren. Bei allem guten und wichtigen Einsatz „für die Armen, für die Kultur, für den Umweltschutz“ gerate auch in der Kirche das Wesentliche, die religiöse Kraft des Gottesglaubens, schnell aus dem Blick, schreibt er. Der Glaube habe jedoch eine klare Richtung: den Blick auf Christus, der am Ende der Zeit wiederkommen wird und alles in Gott vereint. „Warum diese innere Orientierung nicht nach außen sichtbar machen, wenn die Kirche Eucharistie feiert?“ Damit hinterfragt der Jesuit die heute gängige Blickrichtung in der Eucharistie, bei welcher der Priester die Gemeinde anschaut, mit ihr gleichsam einen Kreis bildet. „Könnte es sein, dass dieser Kreis zu einer geschlossenen Gesellschaft wird, zu einer Gemeinschaft, die vor allem sich selbst feiert?“ Doch gerade in der Liturgie zeige sich der Glaube, und dieser habe schließlich einen „Exodus-Charakter“. Es gehe also um den Aufbruch weg von sich selbst, von „Sünde und Tod, aus Begrenzungen und Ängsten“, und hin zu Jesus Christus, zu Gott. Wenden sich Priester und Gemeinde in dieselbe Richtung, „sind sie orientiert zu dem hin, dem das Gebet gilt: Gott.“
Aber ist es nicht unhöflich, wenn der Priester die Gemeinde zeitweise nicht anschaut? Diese Anfrage offenbart laut Dominik Terstriep eher ein grundlegendes Missverständnis über den Gottesdienst: „Liturgisches Gebet ist vor allem Rede an Gott und nicht eine Information der Gemeinde.“ Wenn Priester und Gemeinde bei der Wandlung von Brot und Wein in dieselbe Richtung blickten, würde Christus wieder ins Zentrum des kirchlichen Glaubens und Handelns gerückt. In einer solchen gemeinsamen Gebetsrichtung scheint der Autor auch ein wirksames Mittel gegen Klerikalismus, also die allzu große Überhöhung des Priesters, zu sehen. Denn dann würde dieser „besser in die betende Gemeinde integriert, die zusammen mit ihm vor Gott steht.“ Bei all seinen Ausführungen geht es Terstriep, so betont er mehrfach, nicht im Geringsten darum, die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils infrage zu stellen.