Von den Newslettern der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ ist mir der „des Optimisten“ der liebste. Weltbewegendes findet dort nicht statt, das alltägliche Leben wohl: Das 1906 gegründete Kino „Pionier“ in Stettin, das älteste der Welt, wurde durch eine ungemein erfolgreiche Spendenaktion gerettet. Eine ökologisch bedenkliche Abbaustätte von Braunkohle im Nordosten Polens wurde stillgelegt. Nach einem Aufenthalt von nur wenigen Minuten unter Bäumen, so ist nun wissenschaftlich gesichert, sinken Blutdruck, Pulsschlag und Stresspegel. Die Mitglieder der Seniorenuniversität in Poznań schufen ein Wandgemälde, auf dem der graue Haarschopf eines alten Menschen durch eine Blumenwiese ersetzt wurde. Solche vergnüglichen Nachrichten rücken ein wenig die Verhältnisse zurecht. „Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten“, so ein Leitspruch des Journalismus, der davon kündet, dass es die skandalösen, reißerischen Meldungen sind, die den Umsatz bescheren, nicht Berichte über Gelungenes und Liebevolles. Der „Newsletter des Optimisten“ wird daran kaum etwas ändern. Den Leser aber macht er heiter, lässt ihn schmunzeln und bewusster sortieren.
„Frohe Botschaft“ ist eine mögliche Übersetzung von Evangelium. Wer die christliche Urquelle liest, wer die vier Variationen über das Leben Jesu studiert, wird selten schmunzeln. Und auch ein „Auszug für den Optimisten“ dürfte eher schmal ausfallen. Doch vielleicht nur auf den ersten Blick? Denn jede Zeile der Evangelien, auch der Briefe, spiegelt das Osterlicht wider: die Überzeugung, dass der Heiler aus Nazareth, dessen irdischer Weg in einem unfassbaren Desaster endete, von Gott bestätigt wurde, auferstanden ist. Er ist der Christus, der Messias! Welch eine optimistische Nachricht! Wie wunderbar – und wie schwer zu glauben! Für die biblischen Schriftsteller war sie kostbar genug, um sie für die Nachwelt zu bewahren. Auf sie setzten die verängstigten Jünger, die sich bald wieder sammelten. Ihnen folgen bis heute unzählige Christinnen und Christen. Die meisten auf eine sehr menschliche, private Weise. Manche aber so intensiv und leuchtend, so gottgefällig, dass die kirchliche Gemeinschaft sie als „heilig“ bezeichnet. An Allerheiligen feiern wir sie. Das Tagesevangelium gibt uns die festliche Tonart vor.
Selig die Armen vor Gott; die Trauernden, die Gewaltlosen, die nach Gerechtigkeit Dürstenden, die Barmherzigen, die Menschen mit einem reinen Herzen, die Friedensstifter, die um Christi willen Verfolgten! Dieser Zuspruch eröffnet die Bergpredigt (Mt 5,1–12a) und fasst das Evangelium wie „in einer Nussschale“ zusammen. Niemand wird den so beschilderten Weg ganz gehen können und müssen. Thomas von Aquin benutzte für seine theologische Kathedrale andere Bausteine als Franz von Assisi für den Wiederaufbau der verfallenen Kirche. Edith Stein verzweifelte als Jüdin und als Christin nicht am Schweigen ihrer Kirche, Mutter Teresa pflegte Sterbende in einem vom Hinduismus geprägten Indien. Heilig ist, wer an seinem Platz, zu seiner Zeit die Herausforderung der Seligpreisungen annimmt. Und wir? Der Umbruch, den wir erleben, ist gewaltig. Die Kirchen, ja das Evangelium selbst scheinen ihren Salzgeschmack zu verlieren, unzählige gute Ideen verpuffen. Die Heiligen aber bleiben, mit ihnen die Erinnerung an die Seligpreisungen. Vor Gott, so wiederholen sie, dürfen wir arm und armselig sein. Wer ein reines Herz hat, wird von der Welt ausgelacht und nährt doch seine Seele. Wer Frieden stiftet, hat mehr Weitblick als die üblichen Rechthaber und Verwirrer. Und auch die Wahrheit über die verfolgten Brüder und Schwestern sollte uns zumutbar sein. Den christlichen „Newsletter des Optimisten“ sollten wir uns selbst schreiben – auf dass wir nicht vergessen, was Evangelium heißt.