Würde jemand aus den kirchlichen Nachrichten der letzten Wochen, Monate und Jahre ein Drehbuch schreiben, hätte man es gemäß früherer Maßstäbe als antichristliches Machwerk zurückgewiesen. Sicher, die real existierende Kirche war nie eine Gemeinschaft von Heiligen. Aber eine solche Anhäufung von Sex and Crime käme einem dann doch allzu übertrieben und abseitig vor.
Allein, es sind eben keine Einfälle eines wenig begabten Erzählers. Sondern es ist alles so passiert. Da gab es Geistliche, bis hin zu Kardinälen, die sexuelle Gewalt an den Schwächsten verübt haben. Personalverantwortliche haben Verbrechen vertuscht, und bis heute wird die Veröffentlichung von Gutachten verhindert. Da hat eine Gemeinschaft, die besonders evangeliumsgemäß leben wollte, ihre Mitglieder drangsaliert. Auch solchen geistlichen Missbrauch habe man zu lange als Randerscheinung und Verfehlung einzelner Personen verharmlost, hieß es soeben bei einer Tagung der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. Und wie als groteske Krönung all dieser Vorfälle erfuhr man von dubiosen Immobiliengeschäften des Vatikan mit Verlusten in dreistelliger (!) Millionenhöhe. Zugleich hat man bei einem päpstlichen Finanzverwalter Gold- und Silbermünzen gefunden sowie 600000 Euro in bar, versteckt in einem Schuhkarton…
Ist Kirche inzwischen nur noch ein Klischee, eine Karikatur ihrer selbst? Die einzelne Untat wäre ja schon schlimm genug. Aber der Schaden wirkt viel weiter. Was ist mit dem Vertrauensverlust, dem Bild von Kirche in der Öffentlichkeit? Die Rede ist nicht von Imagepflege, sondern davon, dass durch dieses ungeheure Ausmaß an Sünde der christliche Glaube selber unglaubwürdig geworden ist. Mit ihm geraten die unzähligen Seelsorger an den Pranger, die sich nicht nur in Corona-Zeiten um Gottesdienst und Gemeinde bemühen. Genauso geht es um die kirchlichen Helden, die den Kranken und Sterbenden beistehen. Es geht um die Religionslehrerinnen und Erzieherinnen, die Kindern die Frohe Botschaft verkünden wollen. Es geht um jeden, der die Kirche eben nicht als Täterorganisation erlebt hat, sondern als stärkende, tröstende Gemeinschaft. Ihnen und uns allen wird mit jeder schlimmen Tat das Leben und Glauben schwerer gemacht.
Lassen wir das nicht weiter zu! Es braucht sicher das Hinschauen, wo es systemische Ursachen für Fehlentwicklungen gibt. Und es braucht Hilfe für die Opfer, nach christlichem Verständnis ebenso für die Täter. Aber es braucht genauso den Aufstand der Anständigen – und eine Kritik, die nicht scharf genug sein kann wider jene Verbrecher, die mit den menschlichen Opfern den Glauben für viele kaputtgemacht haben. Trotz allem sollten wir uns an Christus festhalten: Wir sind Kirche. CIG