Der eine Gott und die Götter (23)Zadok

Göttliche Erwählung oder brutale Machtpolitik? Wie der Sohn Davids zum König von Israel aufstieg.

26 Zum Priester Abjatar sagte der König: Geh auf dein Landgut nach Anatot! Zwar hast du den Tod verdient; doch will ich dich heute nicht töten, weil du die Lade Gottes, des HERRN, vor meinem Vater David getragen und alle Demütigungen mit meinem Vater geteilt hast. 27 So vertrieb Salomo Abjatar, sodass er nicht mehr Priester des HERRN war, und erfüllte das Wort, das der HERR über das Haus Eli in Schilo gesprochen hatte… 35 Der König verlieh dem Priester Zadok die Stelle Abjatars (1 Kön 2,26f.35).

Im Kampf um die Nachfolge Davids konnte sich sein Sohn Salomo durchsetzen. Damit verschoben sich innerhalb des religiösen Symbolsystems die Akzente deutlich in Richtung der städtischen religiösen Traditionen. Ihren sichtbaren Ausdruck fand diese Entwicklung im Bau des Tempels. Vorbereitet wurde sie durch eine Personalpolitik, die vor brutalen Entscheidungen nicht zurückschreckte.

Eigentlich hätte Adonija, dem in Hebron geborenen ältesten noch lebenden Sohn Davids, die Königswürde zugestanden. Er fand Unterstützung beim Priester Abjatar, der die Lade, das alte JHWH-Symbol, betreute und der mit David und seinen Leuten Jerusalem eingenommen hatte. Doch diese Gruppe konnte sich nicht durchsetzen. Während David altersschwach auf seinem Lager lag, zog Adonija zusammen mit dem Heerführer Joab, dem Priester Abjatar, seinen Brüdern und allen Männern von Juda zur südlich von Jerusalem gelegenen Rogel-Quelle, um sich dort zum König ausrufen zu lassen. Seinen jüngeren, in Jerusalem geborenen Bruder Salomo hatte er nicht zu dieser Feier eingeladen.

Als die Aktion bekannt wurde, formierte sich die Gegenpartei. Sie wurde angeführt vom Propheten Natan. Zu ihr gehörten der Priester Zadok und Batseba, die Mutter Salomos. Sie alle stammten aus Jerusalem und traten erst nach der Einnahme der Stadt in den Dienst Davids. Ihnen gelang es, dem alten König die Zusage abzuringen, dass sein Sohn Salomo sein Nachfolger werde. Mit Hilfe der Palastwache unter ihrem Anführer Benaja gelang der Coup. „Sie setzten Salomo auf das Maultier des Königs David und führten ihn zum Gihon. Der Priester Zadok hatte das Salbhorn aus dem Zelt mitgenommen und salbte Salomo. Hierauf blies man das Widderhorn, und alles Volk rief: Es lebe der König“ (1 Kön 1,38f.). Als Adonija und seine Leute hörten, dass Salomo sich auf den königlichen Thron gesetzt hatte, brach ihre Bewegung in sich zusammen.

Zur Festigung seiner Herrschaft ging Salomo daran, seine Gegner zu neutralisieren. Seinen Bruder Adonija ließ er unter einem Vorwand töten. Ebenso erging es Joab, dem Feldherrn Davids. Schimi, ein alter Gegner Davids, wurde in Jerusalem unter Hausarrest gestellt: „Bau dir ein Haus in Jerusalem, bleib hier und geh nicht weg, weder dahin noch dorthin“, hatte ihm Salomo zu verstehen gegeben (1 Kön 2,36). Als er gegen diese Auflage verstieß, weil er zwei entlaufene Sklaven zurückholen wollte, wurde er mit dem Tode bestraft. Der Priester Abjatar verlor sein Amt und wurde auf sein Landgut nach Anatot geschickt. Seine Stelle nahm der aus Jerusalem stammende Priester Zadok ein. Die von David nach der Einnahme Jerusalems eingesetzte priesterliche Doppelspitze mit Abjatar und Zadok, in der die beiden religiösen Traditionen der von David eingenommenen Stadt repräsentiert und in einen Ausgleich gebracht wurden, wurde aufgelöst. Damit verschob sich das religionspolitische Gewicht in jene Richtung, die der vordavidischen und das heißt: der kanaanäischen Tradition Jerusalems zuzurechnen ist. Der Salomo zugeschriebene Bau des Tempels ist, wie wir noch sehen werden, in diesem Licht zu verstehen.

Der Priester Zadok wurde zum Ahnherrn der Zadokiden, der Jerusalemer Tempelpriesterschaft. Wahrscheinlich geht auch der Name der Sadduzäer darauf zurück. Die uns aus dem Neuen Testament bekannte Gruppierung des damaligen Judentums bildete bis zum jüdisch-römischen Krieg die Mehrheit im jüdischen Hohen Rat. Die Sadduzäer galten als konservativ, waren um Ausgleich und Kooperation mit den Römern bemüht und darauf bedacht, Ruhe und Ordnung in der Stadt wie auf dem Land zu bewahren und jeden Aufstand gegen die Römer im Keim zu ersticken.

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