Bereits um die fünfzig Impfstoffe gegen das Corona-Virus sollen klinisch getestet und für gut befunden worden sein. Nun harrt alle Welt darauf, dass die Präparate amtlich zugelassen werden und eine großangelegte Kampagne zur Immunisierung der Bevölkerung beginnen kann. Seltsamerweise redet kaum jemand darüber, was für ein Wunder, was für ein großartiger Erweis menschlichen Geistes es ist, dass innerhalb von nicht einmal einem Jahr Wissenschaftler das Virus erforscht und in hochkomplexenVerfahren Gegenmittel entwickelt haben. Das wäre doch auch ein Grund, dem göttlichen Schöpfer der Evolution zum Homo sapiens hin dankbar zu sein. Und dafür, dass wir trotz aller Mühen, Ängste und Sorgen heute leben dürfen.
Gewiss weiß niemand genau, wie lange die Immunisierung anhält, welche eventuellen Nebenwirkungen noch entdeckt werden, ob und wie oft eine Impfung aufgefrischt werden muss. Weitere Fragen stellen sich, etwa nach der Gerechtigkeit der Verteilung ebenso für die ärmere Bevölkerung. Die aktuellen globalen Verhältnisse könnten durchaus eine Chance sein, dass die Menschheit zusammenrückt, dass sich im Bewusstsein gegenseitiger Abhängigkeiten eine gewisse Solidarität herausbildet.
Und wie steht es um weitere Formen der Immunisierung gegen Krankheiten, zum Beispiel gegen die Krankheit des Bösen, das uns als Gesellschaften wie als Einzelne immer wieder befällt? Es gibt ja nicht nur das materielle Virus Corona, sondern ebenso vielfältige geistige Erreger, die unser Dasein bedrohen. Seit jeher haben sich die Religionen damit beschäftigt, wie da die Abwehrkräfte zu stärken sind. Im Christentum wurden als geistig-geistliche „Impfstoffe“ die Sakramente erfunden. Das Grundsakrament Taufe soll die Grundimmunisierung liefern wider die Mächte, wider die natural „ererbten“ Strukturen des Bösen, im Bild der Erbsünde gefasst. Diese Grundimmunisierung braucht ebenfalls immer wieder eine Auffrischung, etwa im Taufgedächtnis der Osternacht. Weitere Sakramente stehen bereit, um in einer kritischen Erinnerung Immunisierungskräfte zu wecken. Zum Beispiel über die regelmäßige Feier der Eucharistie, im Empfang der Gaben von Brot und Wein. Im schwierigsten Fall kann das Sakrament der Buße und Versöhnung zumindest eine Teilimmunisierung auf Zeit bewirken, um den Widerstand von Körper und Geist durch Gewissenserforschung, Reue und guten Vorsatz zu stärken. „Widersagt ihr dem Bösen, um in der Freiheit der Kinder Gottes zu leben?“ Auf die Freiheit läuft alle Immunisierungsstrategie hinaus, in den durch Freiheitsbeschränkungen gezeichneten Corona-Zeiten genauso wie im sonstigen Leben. Die Impfstoffe des Religiösen sollten daher ebensowenig geringgeachtet werden wie die der Pharmakologie.