Der Gott des Advents kann ein leiser, ein scheuer Gott sein. Immer aber ist er unbezwinglich. Er ist die ständige Läuterung, die stets neue Entschleierung und Entlarvung, die unerbittliche „Überführung“ (Joh 16,8) unseres verfallenen Bewusstseins – der unaufhörliche Protest wider das große Vergessen, „der Geist, der an alles erinnert“ (Joh 14,26). Das lehrt uns die Erfahrung unseres Daseins, wenn wir sie in das Licht des Evangeliums erheben und sie aus ihren vagen Anspielungen befreien.
So empfindet der Mensch in aller selbstherrlichen Geborgenheit und Gesichertheit, der Mensch, der heute nahezu schon die ganze Welt umklammert hat mit den Polypenarmen seiner Technik, doch immer eine Bedrohung. Gott selbst, sein Advent ist ihm im Gewissen (denn von allen Dingen hat Gott dies am ersten besetzt). Er ist ihm unvergesslich (dafür ist es Gott, den er zum Schicksal hat). Der Mensch kann die Vision der Ankunft Gottes nicht aus den Augen bringen. Und wenn er nicht mehr davon redet, wird Gott aus seinen Träumen steigen; ihm entkommt er nicht. Der Mensch wird immer ahnen, dass er umlagert ist von etwas, was er vielleicht nicht mehr kennt und wofür er keinen Namen hat, weil er es vergessen hat auf der langen Flucht vor ihm (ist er nicht schon immer unterwegs in dieser fliehenden Bewegung?).
Er erfährt immer die unheimliche Ausgesetztheit seines Lebens, ohne sie sich deuten zu können. Eine letzte, unsagbare, dunkle Angst hält ihn gefangen, die er am liebsten verspotten möchte, die er nicht wahrhaben will und die doch hartnäckig in seinem Nacken sitzt. Sie lässt sich nicht austreiben, weil sie gar nicht sagen kann, vor wem sie sich eigentlich ängstigt – diese Angst, die sich von nichts und deshalb von allem bedroht fühlt, die nirgends ist und deshalb überall. Und die so unheilbar ist, weil sie vor etwas flieht, was wir selber sind: Stätte göttlichen Advents. Die so mächtig ist, weil Gottes Advent so unwiderstehlich ist. Diese Angst – die stummen Zeugen des unausweichlichen Advents Gottes in einer adventvergessenen Zeit. Die Advent-Erfahrung wider Willen…
So hat auch unsere Zeit ihre göttliche Heimsuchung, ihren späten Engel, ihr spätes Wort von Gottes Kommen, in spiegelverkehrten Lettern und Gleichnissen uns ins Herz geritzt: das Evangelium der Angst. Die Adventsbotschaft eines späten Geschlechts. Es käme darauf an, dass wir sie besser zu lesen und zu deuten verstünden.
Johann Baptist Metz in: „Gott in Zeit“, Gesammelte Schriften Bd. 5, hg. von Johann Reikerstorfer (Verlag Herder, Freiburg 2017)