Gelegentlich sind aus Afrika erfreuliche Nachrichten zu vernehmen. So verkündete neulich der „Spiegel“, dass südlich der Sahara doppelt so viele Personen Zugang zu elektrischem Strom haben wie noch zur seit Jahrtausendwende. „Noch immer überwiegen fossile Brennstoffe bei der Stromerzeugung. Noch immer stellen Wasserkraftwerke den größten erneuerbaren Stromanteil.“ Aber Erdwärme-, Wind- und Solartechnologien hätten sich in den vergangenen Jahren stark ausgebreitet. Der daraus produzierte Strom stieg seit 2005 von zwei auf elf Milliarden Kilowattstunden im Jahr. Zum Vergleich: In Deutschland wurden laut Fraunhofer-Institut im ersten Halbjahr 2019 allein im erneuerbaren Energiebereich 125 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert.
Entwicklungsminister Gerd Müller fordert im Hinblick auf den Klimawandel seit langem, dass die Europäische Union stärker mit jenen Ländern in Afrika zusammenarbeiten sollte, die den Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen. Denn: „Afrika darf nicht zum Schwarzen Kontinent der Kohleverstromung werden. Es muss zum grünen Kontinent der erneuerbaren Energien werden.“
Etwas weiter gehen die Vorstellungen der beiden Ökostrom-Unternehmer Mugo Kibati (Nigeria) und Gilles Vermot Desroches (Frankreich). Der Industriebereich für erneuerbare Energie könnte der Entwicklung Afrikas spürbar „auf die Sprünge helfen“, insbesondere bei der Entstehung von Arbeitsplätzen, sind sie überzeugt. „Der Ausbau erneuerbarer Energien würde den afrikanischen Ländern auch noch in vielerlei anderer Hinsicht helfen, etwa bei der Verringerung der Armut, dem Abbau der Geschlechterungleichheit, der Verbesserung der hygienischen Bedingungen und der Begrenzung von Treibhausgasemissionen.“ Ist Afrika bereit für die Energiewende?
Tatsächlich hat der Kontinent ein enormes Potenzial für erneuerbare Energie. Die geografische Lage zu beiden Seiten des Äquators, wo die Sonne fast senkrecht auf den blauen Planeten scheint, begünstigt Solaranlagen. Sie können dort besonders wirksam die Energie vom Zentralgestirn in Strom verwandeln. Der Kontinent wird außerdem von gewaltigen Flüssen wie Niger, Nil, Kongo und Sambesi durchströmt. Ihre Fluten treiben Wasserkraftwerke an, deren Strom schon seit Jahrzehnten das Rückgrat einiger afrikanischer Volkswirtschaften bildet. Insbesondere an den Küsten des Atlantischen sowie des Indischen Ozeans, aber auch am Mittelmeer und am Roten Meer wehen beständige Winde, die den Erdteil zu einem der weltbesten Standorte von Windkraftanlagen machen. Dennoch haben nach jüngsten Schätzungen immer noch 600 Millionen afrikanische Haushalte keinen Zugang zu elektrischem Strom. Ein Großteil von ihnen in der Region südlich der Sahara.
Hinzu kommt, dass Kriege und Hunger den Kontinent in seiner Entwicklung massiv schwächen. Die klimabedingten Flüchtlingsbewegungen sind eine weitere Herausforderung. Allein in der Sahelzone und in der Tschadsee-Region zählt man zwanzig Millionen Binnenflüchtlinge. Die rasch wachsende Bevölkerung strömt in die Städte. Viele der jungen Menschen träumen, verstärkt durch den Zugang zu Internet und sozialen Medien, von einem besseren Leben. Ohne ausreichende und bezahlbare Energie vor Ort bliebe dies für die meisten in weiter Ferne.
Gegenwärtig gibt es allerdings lediglich im Norden und Süden Afrikas eine ausreichende Stromversorgung. Hier ist die Elektrifizierung am weitesten fortgeschritten. Führend bei den installierten Anlagen sowie den Energieinvestitionen ist Südafrika. Die Gebiete in der Subsahara hingegen leiden unter Energiearmut. Die Befriedigung des rasch wachsenden Energiehungers stellt für viele afrikanische Länder eine große Aufgabe dar, der sie kaum gerecht werden. Dabei könnten die Netto-Energieeinkäufe aus dem Ausland durch die Produktion von erneuerbaren Energien reduziert werden. Auch könnten afrikanische Länder, die Strom verkaufen möchten, dadurch ihre Deviseneinnahmen erhöhen. Das ist aber noch Zukunftsmusik, denn die in der Subsahara verbreitete Energiearmut bremst diese Entwicklung erheblich.
Bei den Klimaschutzverhandlungen der Weltgemeinschaft – wie zuletzt in Madrid – wird immer wieder beschworen, das bisher geltende Pariser Abkommen von 2015 energisch umzusetzen. Es sieht vor, die Erderwärmung zu begrenzen, indem der jeweilige Kohlendioxidausstoß erheblich vermindert wird. Bis 2050 soll die Kohlendioxidbilanz neutral sein. Diese globalen Bemühungen treffen in Afrika auf ein postkoloniales Erbe, eine riesige Zahl ethnischer Gruppen sowie große kulturelle Unterschiede von der muslimisch-arabisch geprägten Welt im Norden bis zum Kap der Guten Hoffnung in Südafrika mit seiner vorwiegend europäischen Kultur.
Papst Franziskus hat sich in seiner Enzyklika „Laudato si’“ 2015 für entschiedenen Klimaschutz ausgesprochen. Man müsse alles tun, um den Treibhausgasausstoß „drastisch“ zu verringern und die Verbrennung fossiler Energieträger zu beenden. Dazu bedürfe es einer ganzheitlichen ökologischen Umkehr, eines neuen moralischen Imperativs, der sich aus dem biblischen Gedanken ableitet, dass wir verantwortlich sind für die Schöpfung. „Wir sind die letzte Generation, die die Dinge noch ändern kann“, sagte der Papst in einer Ansprache.
An aufsehenerregenden Ideen für alternative Energie hat es insbesondere im letzten Jahrhundert nicht gemangelt. Zu den verworfenen und doch wohl eher im Bereich der Fantasie angesiedelten Vorhaben gehört der sogenannte Atlantropa-Staudamm. Maßgebend war der Einfall, man könne eine gigantische Staumauer an der Straße von Gibraltar errichten und damit das Mittelmeer teilweise trockenlegen, um Neuland zu gewinnen. Dieser neu entstandene „Kontinent“ wurde „Atlantropa“ genannt. Zugleich wollte der Initiator, der deutsche Architekt und Geopolitiker Herman Sörgel (1885–1952), aus dem Restzufluss vom Schwarzen Meer für die Mittelmeeranrainer mit Wasserkraft Strom produzieren. Das Projekt scheiterte unter anderem daran, dass durch das Aufstauen der Meeresspiegel weltweit um einen Meter steigen würde. Ähnlich gigantisch waren Überlegungen zur Anstauung des Roten Meeres zwischen dem Jemen und Eritrea. Beide Ideen blieben Vorhaben auf dem Reißbrett.
Eine Idee des „Club of Rome“
Anders verlief der Plan der Ägypter, den Nil aufzustauen. In Zeiten des Kalten Kriegs gelang es, den Fluss zu stauen und so den Wasserstand im Niltal zu kontrollieren. Ab der Eröffnung wurde etwa die Hälfte der ägyptischen Stromversorgung aus dem Assuan-Staudamm gewonnen.
Eine Idee, die seit Beginn des Jahrhunderts mehr und mehr Gestalt bekommt, ist die „Desertec“-Vision aus den Denkfabriken des „Club of Rome“, jener weltweiten Gruppe von Fachleuten, die sich um die Zukunft der Erde Gedanken macht. Bei „Desertec“ geht es um Solarstrom aus der Wüste (von desert, Wüste, und technology, Technik). „Desertec“-Erfinder ist der Atomphysiker Gerhard Knies (1937–2017). Er war Sohn eines Pfarrers und beschäftigte sich zunächst mit Kernenergie. Durch das Reaktorunglück von Tschernobyl 1986 setzte bei ihm ein Umdenken ein, mit folgender Idee: Riesige Solarkraftwerke in den Wüsten Nordafrikas und auf der Arabischen Halbinsel sollten Strom für Europa liefern sowie für die Länder der Wüstenregion selbst. Deutsche Unternehmen witterten daraufhin ein Milliardengeschäft. Der damalige Siemens-Chef Peter Löscher sprach von einem „Apollo-Projekt des 21. Jahrhunderts“.
Mittlerweile sind die meisten deutschen Firmen ausgestiegen. Ein Streit entzündete sich an Stromnetzen im Mittelmeer und an der Frage, ob es nicht sinnvoller sei, erst einmal für den lokalen Markt in Nordafrika zu produzieren. Seit 2009 kümmert sich die „Desertec Industrie Initiative“ (DII), ein kleines Industriekonsortium aus Geldgebern in Deutschland, China und Saudi-Arabien, um die Umsetzung. Viele Beobachter sehen das ursprüngliche Projekt als gescheitert an. So notierte der „Spiegel“: „Zum Streit um Strategie und Aufgaben der Initiative kamen Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Auch die Proteste des Arabischen Frühlings spielten eine Rolle – das Investitionsklima in Nordafrika hatte sich deutlich verschlechtert.“
Der frühere DII-Geschäftsführer Paul van Son hingegen verweist auf den längeren Atem, der bei diesen Fragen nötig sei: Die nachhaltige Energie aus Wüstenregionen werde „zweifellos realisiert“, aber an erster Stelle vorangetrieben von den Ländern in der Region für ihre eigenen Bedürfnisse.
Man unterscheidet bei den afrikanischen Projekten zwischen solarthermischen Kraftwerken („Concentrated Solar Power“, CSP) sowie Photovoltaikanlagen (PV). Zudem gibt es Windkraftwerke und Wasserkraftanlagen. Hinzu kommt die Verwendung von Biomasse als Feuerholz in kleineren und größeren Kraftwerken.
CSP-Kraftwerke haben auf dem afrikanischen Kontinent eine lange Geschichte. Die meisten dieser Energiefabriken funktionieren durch Spiegel in Form einer Parabolrinne. Diese lenkt das Licht auf ein in der Brennlinie liegendes Rohr. Im Rohr befindet sich ein Wärmeträgermedium, etwa Flüssigsalz, das die Wärme bei 550 Grad Celsius speichert. Alternativ kann die Sonneneinstrahlung auch auf die Spitze eines Turmes fokussiert und in Wärmeenergie umgewandelt werden. Mittels Dampfturbinen und Wechselstromgeneratoren wird die Wärme in elektrische Energie umgewandelt.
Marokkos ehrgeiziger Solarplan
Bereits 1912 baute der amerikanische Erfinder Frank Shuhman einen Vorläufer der CSP-Kraftwerke im ägyptischen Maadi. Das rief den Reichstag auf den Plan, und Shuhman durfte seine Technik dort vorstellen. Die Abgeordneten interessierten sich für Anwendungen in den Kolonien Deutsch-Südwestafrika und -Ostafrika. Der Erste Weltkrieg verhinderte dann die Umsetzung. Erste Kraftwerke des Typs wurden zum Ende des vergangenen Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Spanien verwirklicht. Weil die Kosten für Photovoltaikanlagen massiv gesunken sind, ist das Interesse an CSP-Kraftwerken beständig zurückgegangen.
Die bekannteste PV-Anlage in der Wüste befindet sich im marokkanischen Ouarzazate. Hier setzt das Land im Maghreb einen anspruchsvollen Teil seines Solarplanes um. In den beiden letzten Jahrzehnten hat Marokko die landesweite Elektrifizierung auf 96,8 Prozent gesteigert. Die Kraftwerkskapazitäten sollten bis in diesem Jahr auf 14500 Megawatt ausgeweitet werden. Jeweils 2000 Megawatt entfallen auf Solar-, Wind- und Wasserkraftenergie. Der ehrgeizige Plan lautet: Das Land will nahezu die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen.
Die Reise von Marrakesch nach Ouarzazate ist landschaftlich überwältigend und führt auf kurvenreichen Straßen über den 2260 Meter hohen Tizi n’Tichka-Pass. Der Weg zum Kraftwerkskomplex ist eine der Hauptverbindungsstraßen über den Hohen Atlas. Im Winter ist sie nicht selten wegen heftiger Schneefälle gesperrt. Am Wegrand befinden sich zahlreiche Berberdörfer, die dem Betrachter einen Einblick in das landwirtschaftlich geprägte, einfache Leben der Region ermöglichen. In Ouarzazate ist der auf 3000 Hektar ausgelegte Kraftwerkskomplex fertiggestellt.
Technikschauspiel Noor
Hinzu kommt seit 2016 das CSP-Kraftwerk Noor. Durch den Salzspeicher kann die Wärmeenergie noch bis zu drei Stunden nach dem Sonnenuntergang „festgehalten“ werden – ein Vorteil gegenüber den PV-Anlagen. Über den erzeugtehn Dampf werden die Stromturbinen angetrieben. Insgesamt erfolgte der Ausbau in vier Stufen und wurde 2018 abgeschlossen. Zu Noor II, ebenfalls ein CSP-Kraftwerk, gesellte sich Noor III, ein Turmkraftwerk. Damit steht eine Gesamtleistung von insgesamt 510 Megawatt durch CSP-Kraftwerke zur Verfügung. Interessant sind auch die Strompreise, die um dreißig Prozent auf etwa elf Eurocent fielen. Der Strom aus Photovoltaikanlagen ist in Marokko bei günstiger Sonneneinstrahlung schon für etwa drei Eurocent je Kilowattstunde zu haben. Das weitere kleine Photovoltaik-Kraftwerk Noor IV liefert noch einmal fünfzig Megawatt.
Bei Bau und Betrieb der Kraftwerke achtete die marokkanische Regierung darauf, möglichst viele einheimische Arbeiter und Firmen zu beschäftigen, damit die lokalen Märkte angekurbelt werden. Finanziert wurde das Ganze mit ausländischen Geldern (aus Europa, China, Saudi-Arabien), aber auch mit einheimischen Investitionen. Der Turm von Noor III ist derzeit der höchste in Afrika und leuchtet über der gesamten Region. Der Komplex vermittelt den Eindruck eines gewaltigen Technikschauspiels. Weitere große Projekte sind in Tunesien und Ägypten geplant. Auch in Südafrika werden einige CSP-Kraftwerke erfolgreich betrieben. In Ägypten soll der weltweit größte Solarpark mit 1800 Megawatt Leistung entstehen. Das Kraftwerk wird gerade gebaut.
In der Subsahara gibt es etliche Projekte, die mit kleineren Photovoltaikanlagen dezentral Strom erzeugen, damit besonders in den ländlichen Gebieten jedes Dorf versorgt wird – aus erneuerbarer Energie. Dazu sind sogenannte Microgrids (Inselnetze) eine gute Alternative zum herkömmlichen staatlichen Stromnetzverbund, der ohnehin häufig zusammenbricht. In diesem Kleinstnetz auf Dorfebene werden verschiedene Stromerzeugungstechniken – mit Dieselaggregaten, Photovoltaik, Windkraftanlagen oder Batteriespeicher – für die Verbraucher gebündelt und mit modernster Computertechnik gesteuert. So können die Hütten einer Dorfgemeinschaft mit elektrischer Energie versorgt werden. Die Microgrids profitieren von gesunkenen Preisen für Strom aus den PV-Anlagen und sind weniger anfällig für Stromausfälle.
Das Unternehmen Rafiki Power fördert die Microgrids. Die Firma ist ein deutsch-tansanisches Gemeinschaftsprojekt, das acht solcher Anlagen mit Photovoltaik und Batteriespeicherungstechnik betreibt. In den Dörfern sind mehr als 950 Haushalte an die erneuerbaren Stromquellen angeschlossen.
Die windreiche Sahara
Die Situation in Tansania ist typisch für die Subsahara. Ungeplante Stromabschaltungen gehören sind Alltag und behindern die Wirtschaft. Angaben der nationalen Elektrifizierungsagentur zufolge hatten in Tansania 2014 achtzehn Prozent der Bevölkerung Zugang zu Strom. In den Städten waren es 45 Prozent, in den ländlichen Gebieten nur sechs. In dem ostafrikanischen Staat leben zwei Drittel der Bevölkerung auf dem Land. Das staatliche Netzwerk wird betrieben mit Erdgas, Kohle und Wasser. Der Energieversorger ist hoch verschuldet und wird angehalten, seinen Strom nicht kostendeckend zu vertreiben.
Das Wachstum der Windkraft ist sowohl im Norden wie im Süden Afrikas inzwischen äußerst ergiebig. Südafrika, neben Nigeria das Land mit der leistungsstärksten Volkswirtschaft des Kontinents, hat ein Programm für den Einsatz erneuerbarer Energien aufgelegt („Renewable Independent Power Producer Procurement Programme“). Seit dem Ende der Apartheid ist eine rasch wachsende, leistungsstarke Mittelschicht entstanden. Der Energiebedarf von Bergbau, Chemie- und Automobilindustrie ist gewaltig. Die großen Kohlevorkommen des Landes hatten die Konzentration auf Kohleverstromung begünstigt – mit entsprechendem Kohlendioxid-Ausstoß. Allerdings steuert die Regierung dagegen. Windkraftanlagen und Solarenergie werden gefördert. Noch in diesem Jahr sollen sie mindestens 6925 Megawatt erreichen. An den etwa 3000 Kilometer langen Küstenlinien wehen die Winde mit durchschnittlich achtzehn Stundenkilometern. Hier trifft der kalte Benguelastrom im Atlantik auf den warmen Agulhasstrom. Südafrikas Regierung strebt an, schon bald die Hälfte seiner Elektrizität aus erneuerbaren Energien zu gewinnen.
Das hohe Potenzial aus Windkraftwerken stärkt diesen Optimismus. Jedes Jahr können etwa 500 Megawatt an Windkraftleistung installiert werden. In Südafrika befindet sich außerdem die größte Biogasanlage des Kontinents. Sie wird von BMW in dessen Werk in Rosslyn betrieben.
In Nordafrika wiederum ist Marokko seit bereits einem Jahrzehnt der Vorreiter für die Nutzung von Windenergie. Im Vergleich zu Deutschland hat das Land im Maghreb den Vorteil, dass es nur dünn besiedelt ist und an Mittelmeer- wie Atlantikküste hohe Windgeschwindigkeiten gemessen werden. In der windreichen Sahara, deren Bevölkerungsdichte bei nur durchsschnittlich einem Einwohner je Quadratkilometer liegt, hat der deutsch-spanische Hersteller für Windkraftanlagen „Siemens Gamesa“ eine Fabrik für Rotorenblätter eröffnet.
Wasserkraft aus Assuan
Die marokkanische Belegschaft wurde im dänischen Aalborg handwerklich ausgebildet. Ähnliche Pläne hat die Firma für Ägypten. Auch dort gibt es exzellente Bedingungen für Windkraft. Der Bau einer Rotorenblattfabrik steht ebenfalls an. Zahlreiche Windparks befinden sich schon am besten Standort für Windkraftanlagen, dem Golf von Suez.
Ehrgeizige Pläne in Sachen Wind hat auch Ägyptens Nachbar Äthiopien. In den nächsten Jahren soll hier das Windkraftpotenzial auf mehrere Tausend Megawatt aufgestockt werden. In Kenia wird gerade der größte Windpark südlich der Sahara in Betrieb genommen. Das hat in der ostafrikanischen Region für die meisten Stromanschlüsse gesorgt.
Ein Staudamm, der Stress bringt
Ein häufig zu wenig beachteter Riese bei den erneuerbaren Energien ist die Wasserkraft. Das entsprechende historische Pionierprojekt schlechthin ist der Assuan-Staudamm am Nil. Die Idee entstand noch in den Zeiten, als Ägypten Teil des britischen Empire war. Nach dem Zweiten Weltkrieg griff der Hydrologe Harold Edwin Hurst (1880–1978) die Überlegungen wieder auf und legte 1947 ein Konzept vor. Allerdings erstreckte sich die Wasserfläche des geplanten Assuan-Staudamms auf einen Teil des Hoheitsgebietes des Sudan. In komplexen Verhandlungen mussten Vereinbarungen getroffen werden. Das gewaltige Projekt hatte erhebliche soziale Folgen, denn bis zu 100000 Menschen mussten umgesiedelt werden. Der Bau begann 1960, von der Sowjetunion unterstützt. Es wurde ein typisches Mammutprojekt für die sozialistische Planwirtschaft, mitten im Kalten Krieg.
Die ägyptische Regierung wollte zunächst mit dem riesigen Staudamm das Niltal vor allzu langen Dürreperioden schützen. Vor dem Bau des Damms hatte der Nil häufig einen außergewöhnlich niedrige Wasserstand. Landwirtschaftlich bewässerte Flächen insbesondere der Ärmsten vertrockneten regelmäßig. Auch sollte der Staudamm vor Hochwasserschäden schützen. Beide Ziele wurden erreicht. Kritiker betonen, dass durch das Zurückhalten des fruchtbaren Nilschlamms vermehrt auf Kunstdünger zurückgegriffen werden muss, wodurch einige Äcker längst überdüngt sind.
Neue Konflikte drohen in jüngster Zeit durch den geplanten Nil-Damm in Äthiopien (Grand-Ethiopian-Renaissance-Damm). Das ostafrikanische Land will den Nilstrom stauen, was sich massiv auf den ägyptischen Nassersee auswirken könnte. In Ägypten gibt es bereits Forderungen, zu einem Militärschlag gegen Äthiopien auszuholen, denn der Nil hat für Ägypten eine erhebliche strategische Bedeutung. In diesem Fall bewahrheitet sich einmal wieder die afrikanische Weisheit: Wer das Wasser hat, hat die Macht.
Kleinere oder größere Wasserkraftprojekte befinden sich an vielen Stellen in Afrika. So gibt es im Kongo die Inga-Staudämme. Gemessen an der Stromleistung, ist das Projekt das größte Wasserkraftwerk in der Subsahara. Insgesamt befinden sich dort vier gigantische Kraftwerke.
Immer mehr Afrikaner benötigen elektrische Energie. Das anhaltende Wachstum der Erdbevölkerung ist nur eine weitere von vielen Herausforderungen. Dem „Handelsblatt“ sagte Entwicklungsminister Gerd Müller soeben, dass Europa und insbesondere die Europäische Union dringend ein Investitions- und Innovationsprogramm für den Ausbau erneuerbarer Energien in Afrika auflegen sollten. „In Afrika und den Schwellenländern entscheidet sich maßgeblich der Klimaschutz.“ Das wird wohl auch ein Thema sein, wenn Deutschland in der Mitte des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.
Literatur:
Paul van Son / Thomas Isenburg: „Energiewende in der Wüste. Die Vision ist bereits Realität“ (Oekom Verlag, 2019)