Nach der Schöpfungserzählung der Genesis ist das Licht das erste Werk Gottes. Es wird von der Finsternis und dem Chaos geschieden und als „gut“ bezeichnet. Damit ist allerdings zunächst nicht eine Teilung in „Gut“ und „Böse“ gemeint, vielmehr die Stiftung einer kosmischen Ordnung. Die Dunkelheit wird durch den Horizont begrenzt und benannt. In dieser ersten Ordnung herrscht Gott über Raum und Zeit. Sonne, Mond und Sterne werden als Zeichen für Tag und Nacht, für den Jahreslauf und für die Festzeiten an das Himmelsgewölbe gesetzt. Als prophetisches Zeichen gilt etwa der Stern von Betlehem, welcher der Legende nach drei Sterndeutern aus dem Morgenland die Geburt eines neuen Königs der Juden ankündigte und ihnen den Weg zu ihm wies.
Das Licht gibt Orientierung und Klarheit, es ist Sinnbild von Weisheit und Recht. Im Alten Testament wird vielerorts erzählt, dass Rechtsprechungen am Morgen stattfinden. Im hellen Licht des neuen Tages werden die Verbrechen der Dunkelheit aufgedeckt. Auch die Gerechtigkeit Gottes, seine Gegenwart und Hilfe werden häufig mit Lichterscheinungen oder mit dem Morgen in Verbindung gebracht. Das Licht sorgt für das Wachstum des Guten und Gerechten.
In der ersten Lesung zum dritten Adventssonntag heißt es: „Denn wie die Erde ihr Gewächs hervorbringt und der Garten seine Saat sprießen lässt, so lässt Gott, der Herr, Gerechtigkeit sprießen und Ruhm vor allen Nationen“ (Jes 61,1–2a.10–11). Gott richtet nicht selbst, aber durch das Licht seines Geistes können die Menschen selbständig das Gute und Richtige erkennen. Auch Paulus betont in seinem ersten Brief an die Thessalonicher diese Ermächtigung der Menschen, die er „Söhne (und Töchter) des Lichts“ nennt: „Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht! Prüft alles und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,16–24) Es wird uns nicht vorgeschrieben, was wir tun und denken sollen. Wir sollen zuhören, prüfen und dann eine Wahl treffen. Das ist ein Auftrag, alle Versprechen und Lösungsvorschläge zu hinterfragen beziehungsweise selbst Ideen zu entwickeln, wie etwas zum Guten gewendet werden kann.
Im Johannesevangelium (1,6–8.19–28) soll der Täufer das Licht des Lebens ankündigen. „Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht.“ Jesus wird später von sich selbst sagen: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Wie Jesus eine Entscheidung treffen musste, dass der Wille des Vaters geschehe, müssen auch wir eine Entscheidung für das Licht treffen. Oder eher viele kleine Entscheidungen, denn der Weg zur großen Erleuchtung führt wahrscheinlich über viele Begegnungen und Momente, in denen uns ein Licht aufgeht oder wir einem anderen Menschen den Tag erhellen.