Die Lesungen der ersten drei Sonntage im Advent zogen die großen Bögen vom Beginn zum Ende der Welt, von der Prophezeiung über die Ankunft bis zur Wiederkehr des Christus. Die allumfassende Macht Gottes zeigt sich darin in ihrem kosmischen Ausmaß. Der vierte Advent steht nun unter weitaus leiseren und zutiefst menschlichen Vorzeichen. Im Evangelium (Lk 1,26–38) ist es zwar ein von Gott gesandter Engel, der Maria einen Sohn ankündigt, der „heilig“ und „Sohn des Höchsten“ genannt wird und den Thron Davids erben soll. Doch überbringt er die sehr konkrete Botschaft, dass sie ein Kind empfangen werde, das sie Jesus (JHWH rettet) nennen solle. Mit ihrem Einwand, wie das geschehe, da sie keinen Mann erkenne, bezieht Maria diese Ankündigung auf die Gegenwart. Zwar ist sie schon mit dem Zimmermann Josef aus dem Geschlecht Davids verlobt, jedoch noch nicht verheiratet.
Die Geschichte erinnert an zwei typische Erzählmuster im Alten und Neuen Testament: zum einen an die Geburtsankündigungen besonderer Menschen wie Ismael (Gen 16,11–12), Isaak (Gen 17,19) oder Johannes des Täufers (Lk 1,13–17), zum anderen an die Berufungserzählungen der Propheten wie Jeremia (Jer 1,1–11), Jesaja (Jes 6,1–13), Jona (Jona 1,1–4,11) oder auch an die Bekehrung des Paulus (Apg 9,1–18). Diese Erzählungen folgen häufig einem ähnlichen Aufbau mit einer Aufgabe durch Gott oder einen himmlischen Boten, einem Einwand der Berufenen, der Widerlegung des Einwands und einem Zeichen der Ermutigung. Maria und Jesus werden in diese Tradition hineingenommen. Unter diesen Vorzeichen wird den Hörern die ungeheure Bedeutung der Geburt Jesu schon verdeutlicht.
Außergewöhnlich, aber absolut wesentlich in diesem Evangelium ist Marias ausdrückliche Zustimmung. „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Maria läuft nicht weg wie Jona oder wird plötzlich von Licht umstrahlt und zu Boden geworfen wie Paulus. Sie nimmt die Nachricht und das Kind an mit allem, was es ist und sein wird. In Maria darf im Verborgenen wachsen, der für sie und für alle von größter Wichtigkeit sein wird. Ihre Zusage ist bedingungslos. Auch wenn das später heißt, das Schlimmste erleben zu müssen, was einer Mutter geschehen kann: das eigene Kind leiden und sterben zu sehen.
Diese bedingungslose Annahme ist Liebe. Das und nichts anderes ist Menschwerdung Gottes. Sie vollzieht sich immer, wenn wir unsere Kinder oder wichtigsten Menschen so lieben, wie sie sind. So haben wir jedes Mal selbst Anteil am Wunder der Weihnacht.