Caro cardo salutis, sagte ein frühchristlicher Denker in einem unnachahmlichen Wortspiel: Das Fleisch ist der Angelpunkt des Heiles. Wir vernehmen diesen Satz, der auf das adventlich-weihnachtliche Geheimnis dieser Tage hin gesprochen ist, nicht ohne ein gewisses Befremden. Doch solche Befremdung, solch geistliches Unbehagen gegenüber der Heilsbedeutung der leiblichen Wirklichkeit verrät nur und stets neu, wie sehr wir alle noch heimlich gebannt sind vom Gespenst eines allzu spiritualistischen Heilsbegriffes. Gott selbst denkt zuweilen „irdischer“, als wir es ihm gestatten möchten. Es ist, als gefiele es ihm, uns in seinen Heilsplänen gerade darin zu überführen, wie gering wir am Ende uns selbst und unsere Erde einschätzen.
Ist es nicht so, dass wir heute uns zwar als die ganz und gar Irdischen, „Fleischlichen“ empfinden, eingewiesen in ein augenlos-nüchternes Dasein dieser Erde, dass wir aber eben darin uns mehr als je schmerzlich getrennt vermeinen von allem Großen und Endgültigen, von der Erfahrung des Heiles? Und doch bekennen wir von diesem Heil, was wir in adventlich-weihnachtlicher Zeit andenkend feiern: die Vermählung des göttlichen Logos mit dem „Fleisch“ unserer Erde. „Das Wort hat Fleisch angenommen“. So hat uns gerade die Fleischwerdung des Sohnes die Größe und Verheißung unseres irdisch-leibhaftigen Daseins enthüllt.
Nun, da er selbst uns nahekam, wissen wir: Es sind nicht eigentlich zwei auseinanderlaufende Wege, der eine zu Gott, der andere hinein in die Fülle und Abgründigkeit unserer leibhaftigen Welt; beide zielen vielmehr in die gleiche Richtung, denn auch „das Ende der Wege Gottes ist die Leiblichkeit“. Das Herz der Erde ist dem Herzen Gottes nahe.
Johann Baptist Metz in: „Frühe Schriften, Entwürfe und Begriffe“, Gesammelte Schriften Bd. 2, hg. von Johann Reikerstorfer (Verlag Herder 2015)