Es ist schon einige Jahre her, dass mich eine Frau nach dem Sonntagsgottesdienst ansprach. Sie war aus Rumänien nach Deutschland gekommen und noch dabei, die deutsche Sprache zu lernen. Als ausgebildete Krankenschwester hatte sie im örtlichen Krankenhaus sofort Anstellung gefunden und eine Dienstwohnung bekommen. Da sie Anschluss an die Gemeinde suchte, bot ich ihr an, sie könne zunächst einmal wöchentlich zu einem Gespräch ins Pfarrhaus kommen; so würden wir uns kennenlernen, und ich könnte ihr dann Möglichkeiten der Teilnahme am Gemeindeleben aufzeigen.
Dieses Angebot nahm sie gerne an und erzählte von ihrer Arbeit im Krankenhaus und von den Fortschritten beim Sprachelernen. Eines Tages kam sie ganz bekümmert: „Heute hat mich der Stationsarzt kritisiert.“ Ich fragte nach, was er denn gesagt habe, und sie sagte: „Ich habe es nicht gut verstanden. Er sagte: Schwester Daniela, Sie machen Ihre Arbeit so verkehrt… oder so ähnlich. Ich habe das Wort nicht ganz verstanden.“ Ich ermutigte sie, noch einmal nachzufragen und sich das Wort aufschreiben zu lassen, wenn sie es nicht verstünde. Die Woche darauf kam sie mit heiterem Gesicht und einem Zettel vom Krankenhaus: „Sie machen Ihre Arbeit souverän!“
Diese alltägliche Begebenheit offenbart, wie asymmetrisch bei vielen, vielleicht bei den meisten Menschen die Wahrnehmung ist: Wie schnell ist man bereit, Kritik herauszuhören, und wie schwer fällt es, Lob oder Zuspruch anzunehmen.
Gesetzt den Fall, Jesus würde den „synodalen Weg“ der Kirche in Deutschland begleiten – und das ist nicht auszuschließen, sondern wäre sogar zu hoffen –, könnte es dann nicht sein, dass er, gegenwärtig im Geist dort, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, den Synodalen zuruft: „Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!“? Würden dann nicht manche den Kopf schütteln und meinen, nicht richtig gehört zu haben? Andere könnten vermuten, dass Jesus die gegenwärtige Lage nicht realistisch genug einschätzt: Die Kirche habe keinen guten Geschmack mehr bei den Menschen, und die Aussichten seien eher trüb als lichterfüllt. Dann müsste man den Synodenteilnehmern wie der Frau aus Rumänien sagen: „Fragt noch einmal nach. Lasst es euch aufschreiben!“
Die Bischöfe und die Leute vom Zentralkomitee der Katholiken könnten dann im Evangelium lesen und einander die Worte der Bergpredigt zurufen: „Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Licht der Welt!“ Diese Sätze sind keine Zustandsbeschreibung, auch keine Aufforderung, sondern ein verwandelnder Zuspruch, ein „performatives“ Sprechen, das bewirkt, was es aussagt. Wie in der Eucharistie über Brot und Wein gesagt wird: „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“, so spricht Jesus den Jüngern zu: „Ihr seid Salz und Licht.“ Der Unterschied besteht darin, dass Brot und Wein nicht dazu Stellung nehmen können. Als Menschen können wir mit der Wandlung, Salz und Licht zu werden, einverstanden sein oder nicht. Zwei Schwierigkeiten stehen dem Einverständnis im Weg: die erwähnte Vermutung, nicht richtig gehört zu haben und eher an Kritik als an Lob zu glauben, und – zweitens – die Annahme, dass es anstrengend sei und sein müsse, Licht und Salz für die Welt zu werden.
Das Haus der Kirche ist in unserem Land dunkel geworden, und deshalb fängt man an, mit großer Mühe und nicht immer im Einvernehmen aller Bewohner, die Möbel umzustellen, die Tische zu rücken, die Betten zu versetzen und so weiter. Immerhin tut man dann etwas, und irgendetwas muss man doch tun. Aber es wird nicht heller durch diese Art von Anstrengung. Eigentlich würde es genügen, die Vorhänge von den Fenstern zurückzuziehen und die Fenster zu öffnen. Das Licht käme herein und mit ihm eine Brise erfrischender, salziger Luft vom weiten Meer.