Wenn wir jeden Tag so anfangen würden, wenn wir jede Stunde annehmen würden aus der Hand Gottes, von dort, von wo sie wirklich kommt, wenn wir nicht klagen würden, wenn wir uns nicht wundreiben würden an der Situation, in die wir nun einmal hineingestellt sind, unentrinnbar, sondern wenn wir gläubig, demütig, in der Kraft des Geistes und in dem Licht des Herrn sagen würden: Jetzt ist der Tag des Herrn, die Stunde des Heiles, der rechte Augenblick, aus dem meine Ewigkeit hervorgehen kann, würden wir dann unser Leben nicht besser bestehen? Wären unsere Tage dann nicht – und selbst wenn sie menschlich leer und trostlos wären – gefüllter, lichter, größer, geräumiger und seliger von der geheimen Seligkeit, die der Christ selbst noch im Kreuz und in der Trostlosigkeit haben kann? Sagen wir uns wieder einmal mit dem Apostel: Sieh, jetzt ist die rechte Zeit, sieh, jetzt ist der Tag des Heiles. O Gott, gib uns in deiner Gnade Licht und Kraft, den Tag, den Augenblick zu erkennen und zu bestehen, so wie du ihn als deine Gabe, als deine Gnade und als unsere Aufgabe uns immer wieder gibst, damit aus dieser Zeit, der rechten Zeit des Heiles, werde: deine Ewigkeit.
Karl Rahner (1904–1984) in: „Von der Kraft, täglich neu zu beginnen“ (Matthias Grünewald, Ostfildern 2020)