Mit Traurigkeit und Entsetzen haben die Verantwortlichen der heute überkonfessionellen Arche-Gemeinschaft auf die Nachricht reagiert, ihr Gründer, der letztes Jahr neunzigjährig gestorbene Kanadier Jean Vanier (vgl. CIG Nr. 19/2019, S. 211), habe jahrzehntelang „manipulative sexuelle Beziehungen“ zu Frauen gepflegt. Zunächst hatte das Jesuiten-Magazin „America“ darüber berichtet. Demnach hat eine interne Untersuchung der Arche-Gemeinschaft Anschuldigungen von sechs Frauen, die zwischen 1970 und 2005 Vanier seelsorglich um Hilfe gebeten hatten, bestätigt.
Die Betroffenen sagten, sie seien in der jeweiligen Beratungssituation für Berührungen anfällig gewesen, was Vanier sexuell ausgenutzt habe. Übereinstimmend berichteten diese Frauen, Vanier habe „seine Position und Autorität“ als charismatische Gründergestalt missbraucht. Kurz vor seinem Tod habe er die sexuellen Beziehungen zu den erwachsenen und nicht behinderten Frauen eingestanden, allerdings als „einvernehmlich“ bezeichnet.
In der Arche-Gemeinschaft leben Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Der Katholik Jean Vanier, der in einer Diplomatenfamilie groß wurde und zunächst Priester werden wollte, sich dann aber dagegen entschied, gründete die erste Gemeinschaft 1964. Heute hat die inklusive Gruppierung auf christlich-spiritueller Grundlage rund 10000 Mitglieder in 38 Ländern.
Laut dem Bericht handelt es sich bei Vaniers Verhalten um sexuelle Nötigung, wie sie auch seinem 1993 gestorbenen geistlichen Begleiter, dem französischen Dominikaner Thomas Philippe, vorgeworfen wird. Stephan Posner, verantwortlich in der Dachorganisation Arche International, erklärte: Der Gründer hat „ein ganzes Segment seines Lebens vor uns versteckt“.