Buber-Rosenzweig-Medaille 2021Antisemitismus ist kein Spiel

Christian Stückl nutzt das weltweit bekannteste Passionsspiel, um eine Brücke zwischen den Religionen zu bauen. Ein verdienter Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille 2021.

© Foto: Harald Oppitz/KNA

Jahrhundertelang hämmerten biblische Schauspiele dem Publikum das Bild des „bösen Juden“ ein. Bevor die Mehrheit der Menschen lesen, geschweige denn den lateinischen Formeln des traditionellen Gottesdienstes folgen konnte, zog die breite Masse der Gläubigen ihre religiöse Bildung aus den groß gefeierten Mysterienspielen auf den Marktplätzen. Und während sich verschiedene christliche Gelehrte schon früh Gedanken um ein friedliches und respektvolles Zusammenleben der Religionen machten, sah das Volk hier ein sehr einseitiges Bild „der Juden“ auf der Bühne. In den Passionsspielen wurden sie zu Gottesmördern, die lautstark Jesu Tod forderten. In den beliebten Endzeitspielen schlugen sie sich auf die Seite des Antichrist, und wurden beim Jüngsten Gericht verdammt.

Ausgerechnet ein Regisseur

Von solchen Stücken aufgeheizt, unterschieden die Zuschauer oft nicht mehr zwischen den „Juden“ im Stück und ihren jüdischen Mitbürgern, es kam immer wieder zu Überfällen und Pogromen. Wie alltäglich diese Ausschreitungen waren, beweisen etwa Beschlüsse des Frankfurter Stadtrats, der sich Mitte des 15. Jahrhunderts gezwungen sah, die jüdischen Viertel während der Spielzeiten unter besonderen Schutz zu stellen.

Angesichts dieser düsteren Historie ist es bemerkenswert, dass die Buber-Rosenzweig-Medaille der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit in diesem Jahr ausgerechnet an einen Regisseur von Passionsspielen geht. Christian Stückl (Foto), der seit Mitte der 1980er Leiter der berühmten Oberammergauer Spiele ist, hat sich „von Anfang an dem Vorwurf des christlichen Antijudaismus gestellt“, heißt es in der Begründung. Bei der Aufführung im Jahr 2000 überarbeitete er das seit 1680 alle zehn Jahre aufgeführte Schauspiel grundlegend. Zwischen den Spielzeiten brachte er mit „König David“ und „Moses“ erstmals alttestamentliche Stücke auf die Bühne des Passionstheaters seiner Heimatgemeinde Oberammergau.

Hoffnungszeichen

Dabei suchte er das Gespräch mit jüdischen Organisationen und unternahm mit seinen Hauptdarstellern regelmäßige Reisen nach Israel, um ein Gefühl für die historischen Orte, die Kultur und das Lebensgefühl zu bekommen. Er hat sich die Auszeichnung verdient. Und gleichzeitig ist die Buber-Rosenzweig-Medaille 2021 ein wichtiges Symbol. Wenn eine Kunstform, die so lange Menschen entzweit und Hass gesät hat, heute für Toleranz und Frieden wirbt, ist das ein Zeichen, das weit über die Theaterbühne hinaus Hoffnung macht.

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